Emre Şentürk | 11.05.2022 11:40
„Hart, wie Kruppstahl“, ist wohl jedem geläufig. Um als Unternehmen eine eigene Redewendung zu prägen zeugt nicht nur von äußerst markanter Produktqualität, sondern auch von einer langen und verwurzelten Unternehmenshistorie. „Hast du noch ein Tempo“, anstatt: „Hast du noch ein Taschentuch“, ist ein weiteres Beispiel einer Marke, die es in den alltäglichen Sprachgebrauch geschafft hat. Der westfälische Stahlkonzern Thyssenkrupp gehört zu den ältesten und erfolgreichsten deutschen Unternehmen. Gerade weil er in der Schwerindustrie angesiedelt ist, spielte er in den verschieden Auf- und Abstiegsphasen Deutschlands eine wichtige Rolle. In den letzten Jahrzehnten verlor das Unternehmen aber zunehmen an Bedeutung.
Es ist ein klassisches Phänomen großer und alter Industriekonzerne: Mit dem Start des digitalen Zeitalters ist ein Verfall zu verbuchen, der auf geringe Innovationsaktivität zurückzuführen ist. Ein anderes Beispiel aus den USA ist General Electric (NYSE:GE), ebenfalls ein altes Industrieimperium und einer der Gründerunternehmen des Dow Jones Index. Erklären kann man sich dies über die Lebenszyklus-Theorie. Wenn sich Unternehmen in der frühen Unternehmensgeschichte etablieren können und nach Krisen lange Zeit erfolgreich sind, so schleicht sich oft eine Lethargie ein. „Uns gab es immer, uns wird es immer geben“, scheint die Devise zu sein.
Wenn sie dann mit strukturellen makroökonomischen Veränderungen, wie der Globalisierung, Finanzialisierung und Digitalisierung konfrontiert werden, sind auch solche Giganten gezwungen, sich anzupassen und oftmals auch neu zu erfinden, um weiterhin Wertschöpfung zu generieren. Wenn das nicht von selbst passiert, zwingen Rezessionen die Unternehmen zu Innovationen. Wenn das auch nicht passiert, steht das Überleben des Unternehmens auf dem Spiel. Seit 2008 ist der Aktienkurs der Thyssenkrupp AG (ETR:TKAG) auf dem Abwärtsmarsch und notiert über 80% im Minus im Vergleich zum Allzeithoch. Zwischenzeitlich war der Kurs über 90% im Minus.
Nun scheint Licht am Ende des Tunnels zu flimmern. Der Chief Financial Officer des börsennotierten MDAX-Unternehmens gab heute bekannt, dass man die Wasserstoff-Sparte, Nucera, zusammen mit dem italienischen Unternehmen, De Nora, an die Börse bringen möchte. Nucera, mit Hauptsitz im wunderschönen Dortmund, ist ein Joint-Venture zwischen Thyssenkrupp (66% Anteil) und De Nora (34% Anteil) und ist auf die Produktion von Wasserstoffzellen spezialisiert.
Der Wasserstoffmarkt wird international als zukunftsweisend bezeichnet, da die Energieleistung sehr hoch ist, jedoch keine Emissionen entstehen. Mit limitierten Optionen zu den fossilen Brennstoffen, ist Wasserstoff eine der wenigen Alternativen, die eine ähnliche Energie bieten. Experten rechnen mit einem jährlichen Wachstum des Sektors von etwa 6.4%. Das Marktvolumen lag 2021 bei ungefähr $130 Milliarden. Sollte sich Wasserstoff tatsächlich zu einem zentralen Energieträger entwickeln, stehen wir aktuell noch ganz am Anfang.
Thyssenkrupp scheint dies zumindest so zu sehen und möchte sich mit der IPO von Nucera schonmal richtig positionieren. In der Vergangenheit hatte sich das Essener Unternehmen nicht mit Ruhm bekleckert, was Investitionen angeht, aber dies kann sich jetzt ändern. Bereits im Juni könnten wir Nucera schon an der Börde begrüßen, hieß es heute. Der saudische Staatsfonds (Saudi Arabia Public Investment Fund) überlegt schon seit einigen Wochen über einen möglichen Einstieg bei Nucera, um seine Abhängigkeit vom Öl mit diversifizierten Investments zu mindern. Dies spricht schonmal für Thyssenkrupp und Nucera. Geht der Wasserstoffplan auf, könnte dies auch den Aktienkurs von Thyssenkrupp positiv beeinflussen.
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