Täglicher Kommentar der apano-Fondsberater - 28. September 2022

 | 28.09.2022 12:13

Der gestrige Börsentag hatte zwei komplett unterschiedliche „Halbzeiten“. Zunächst stimulierte eine leichte Beruhigung bei den US-Renditen. Chicagos FED-Gouverneur Evans hatte seine Meinung geäußert, dass die US-Notenbank mit den Zinserhöhungen zu schnell voranschreite. Monetäre Schritte wirkten immer Zeit verzögert, dass müsse bedacht werden. Zudem hoffe er, dass die US-Wirtschaft eine Rezession vermeiden könne. Zusammen mit recht guten chinesischen Konjunkturdaten für den August und einer prominenten Kaufempfehlung für Nvidia (NASDAQ:NVDA) reichte das für einen guten Börsenstart. Mit den Auftritten weiterer FED-Vertreter wurden Evans Aussagen jedoch schnell wieder entkräftet und die Renditen am US-Anleihemarkt drehten nach oben. Damit fiel die Kauflaune wieder in sich zusammen. Die fast sichere Bestätigung, dass es sich bei den Lecks an den Nord Stream Pipelines um Sabotageakte handelte, sorgten für weitere Verunsicherung, auch wenn dort derzeit kein Gas durchgeleitet wird. Aber der Dutch Gas Futures schoss am Nachmittag um zehn Prozent in die Höhe, weil damit noch mehr darauf hindeutet, dass dieser Gasfluss nach Europa für lange Zeit unterbrochen bleibt. Auch die für diese Woche befürchtete russische Annexion eines Teils der Ukraine löst Unbehagen aus, weil sich die Gefahr einer Eskalation bei der Wahl der Waffen erhöht. Das alles drückte im Tagesverlauf immer stärker auf die Stimmung in Europa. Verstärkt wurde die Entwicklung dadurch, dass sich die hohen Zuwächse auf die US-Futures mit Beginn des Kassahandels schnell in Luft auflösten – zuletzt verblieb nur noch im Nasdaq 100 ein kleiner Gewinn. Es fällt auf, dass der Techsektor in den letzten Tagen relative Stabilität aufweist im Vergleich zum Gesamtmarkt. Vielleicht sind die Investoren dort mittlerweile derart stark untergewichtet, dass schlichtweg kaum noch Material abgegeben wird? Auch der Gesundheitssektor ist relativ robust, was an der relativen konjunkturellen Unempfindlichkeit liegt. Unter besonderem Druck standen hingegen zuletzt Zykliker (NYSE:XLY) wie Industrie, Rohstofftitel und Finanzwerte. Nun geraten aber auch die defensiven Verbrauchsgüter unter Druck: der extrem feste US-Dollar dürften den global aktiven Firmen wie P&G (NYSE:PG) oder Coca-Cola (NYSE:KO) enorm zu schaffen machen, während bei den Nahrungsmittelerzeugern die Rohstoffkosten die Margen unter Druck setzen. Da sich dieser Sektor in 2022 bislang gut gehalten hat, dürfte dort derzeit eine aggressive Übergewichtung bestehen. Die gestrigen Kursverluste der US-Konzerne waren für diese Branche ungewöhnlich hoch. Die Fernostbörsen schlossen heute mit kräftigen Abgaben. Im Falle Japans war es aber nur noch ein Nachvollziehen der gestrigen schwachen Futures. Echte neue nennenswerte Verluste von teils mehr als 2% hingegen entstanden in China und Hongkong. Apple (NASDAQ:AAPL) wird wohl seine Produktion für das Phone 14 nicht wie erwartet weiter hochfahren, was zu einem vorbörslichen Abzug von 3,5% im Kurs der Aktie führt. Die Renditen der US-Staatspapiere notieren heute früh unverändert. Die 10y verharren knapp unter 4%, die FED-relevanten 2y rentieren mit 4,25 nach 4,30% gestern. Christine Lagarde hat heute früh angekündigt, dass die EZB auf jeder der nächsten Sitzungen die Zinsen anheben wird. Für den Oktober sagte Finnlands Vertreter Rehn, dass es wohl 50-75 Basispunkte werden. Der Markt preist aktuell 0,75% ein. Der aktuelle EZB-Einlagensatz liegt bei 0,75%. Inoffizielles erstes Etappenziel ist ein „neutraler Level“ (weder restriktiv noch stimulierend), der bei knapp 2% gesehen wird. Kommt jetzt eine 0,75er Runde und unter der Annahme, dass Frau Lagarde den Plural absichtlich gewählt hat, ständen dann noch zwei 0,25er Erhöhungen an. Damit bliebe die EZB weit hinter der FED – das ist neben den geopolitischen und energiepolitischen Risiken hierzulande der wichtigste Grund für den festen Dollar. Die Volatilitäten nähern sich wieder ihren Spitzenwerten: der Anstieg des VDAX kostet den apano-Stimmungsindex einen Punkt.

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