Stockstreet GmbH | 02.12.2021 09:12
Derzeit überwiegen die für den Aktienmarkt eher schlechten Nachrichten. Zu den Entwicklungen rund um das Coronavirus kam vorgestern die Meldung, dass die US-Notenbank nicht mehr auf eine schnell abklingende Inflation hofft. Daher stimmte Fed-Chef Jerome Powell die Märkte auf ein früheres Ende der immer noch ultra-lockeren Geldpolitik ein.
Schon zuvor hatten die Währungshüter der Fed die Möglichkeit signalisiert, dass ein beschleunigtes Tapering angesichts der erhöhten Inflationsgefahren bei dem FOMC-Meeting im Dezember zur Sprache kommen könnte (siehe auch Börse-Intern vom 25. November). Und diese Signale wurden nun deutlich verstärkt, so dass man inzwischen fest damit rechnen sollte.
h2 Fed: US-Inflation ist nicht mehr nur vorübergehend/h2Denn vor einem Kongressausschuss sagte Powell, es sei angemessen, darüber nachzudenken, den als Tapering bekannten Prozess der Reduzierung der Anleihekäufe einige Monate früher abzuschließen. Die Wirtschaft sei sehr stark und der Inflationsdruck zugleich hoch. „Und ich denke, das Risiko höherer Inflation hat zugenommen“, so Powell. Konkret rechnet er nun noch bis Mitte nächsten Jahres mit hoher Inflation. Und vor diesem Hintergrund werde sich die Fed wohl von der Formulierung verabschieden, dass die Inflation vorübergehend sei.
h2 Das Mittel der verbalen Intervention hat Grenzen/h2Mit diesem Schritt möchte sich die US-Notenbank wahrscheinlich ihre Glaubwürdigkeit bewahren, die sie durch ihren bisherigen Kurs riskiert hat. Denn viele Marktteilnehmer waren sich angesichts von diversen Preisdaten längst bewusst, dass die Inflation länger anhalten würde, als von der Fed bislang propagiert.
Die Notenbanken hatten versucht, die Inflation klein zu reden, um den Trend nicht selbst noch zu befeuern, sondern zu dämpfen. Und das war auch absolut richtig so, weil dies zu den elementaren Aufgaben der Währungshüter gehört (Preisstabilität). Doch je länger die Inflation hoch blieb, desto mehr erkannten die Marktteilnehmer, dass die Notenbanken mit ihrer Einschätzung daneben liegen. Und so konnte die Fed nun ihr Mantra nicht länger aufrechterhalten. Und die EZB wird ihr folgen müssen, um sich nicht auch irgendwann lächerlich zu machen.
Nochmal: Es ist absolut richtig, dass sich die Notenbanken mit verbalen Interventionen sowohl gegen starke Trends von Inflation als auch gegen deflationäre Tendenzen stemmen. Doch dieses Mittel der Kommunikation hat Grenzen. Und diese sind bei Inflationsraten von fast 5 % (Eurozone) bzw. über 5 % (Deutschland) und mehr (USA) inzwischen erreicht.
Und sollte die Inflation in der Eurozone zum Jahresbeginn 2022 trotz der dann aus der Statistik herausfallenden temporären Mehrwertsteuersenkung in Deutschland nicht entsprechend deutlich sinken, wird auch die EZB von ihrem Mantra zumindest ein Stück weit abrücken müssen, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
h2 S&P 500 am Ende einer massiven Übertreibung?/h2Jedenfalls glaube ich, dass die Wende in der Geldpolitik dem Aktienmarkt bald noch mehr zu schaffen machen könnte. Zumal dieser in den USA nach wie vor extrem überkauft ist. Um dies noch einmal zu verdeutlichen, zeige ich nachfolgend einen langfristigen Chart des S&P 500 (Monatskerzen).
Vom Herbst 2018 bis zum Frühjahr 2020 kam es dann zu einem wilden Auf und Ab, welches ich im folgenden Chart als große ABC-Korrektur nach einem 5-gliedrigen Aufwärtstrend gewertet habe. Und seit dem Tief der Welle C (Tief des Corona-Crashs) geht es mit dem S&P 500 in einem extrem hohen Tempo aufwärts. Auch diese Aufwärtsbewegung lässt sich 5-gliedrig zählen.
Zumal der S&P 500 für den ersten 5-gliedrigen Aufwärtstrend in etwa genauso lange gebraucht hat wie für die Seitwärtsbewegung nach dem Platzen der Dotcom-Blase. Für den zweiten 5-gliedrigen Aufwärtstrend brauchte er dann schon nur noch weniger als halb so lange.
Damit ist insbesondere dann zu rechnen, wenn sich die Wendekerze vom November durch eine entsprechende Dezember-Kerze bestätigt, der Dezember also mit einer roten Monatskerze endet.
Übertreibungen laufen eben länger, als man denkt. Und noch fließen ja Milliarden Dollars und Euros an frischem Notenbankgeld in die Märkte. Beim aktuellen Drosselungstempo der US-Notenbank von 15 Milliarden monatlich endet die Flut an Dollars erst im Juni. Und selbst wenn dieses Tempo verdoppelt wird, sind die Geldschleusen der Fed erst im März geschlossen. Solange könnte die Notenbankliquidität die Aktienmärkte also durchaus noch treiben. Und vielleicht legt der S&P 500 ja damit noch ein Rechteck oben drauf, bevor der aktuelle Aufwärtstrend endet.
Allein der Glaube daran fehlt mir, weil die Kurse einfach schon so weit gelaufen sind, die fundamentale Bewertung der Aktien in den USA relativ hoch ist und ein schnelleres Ende der Anleihekäufe der US-Notenbank die Kurse eigentlich belasten sollte, neben weiteren aktuellen Themen.
Es bleibt jedenfalls spannend, denn nichts scheint unmöglich.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
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