Putin 4.0 - Weitere sechs Jahre Kalter (Wirtschaft-)Krieg?

 | 21.03.2018 16:03

Schaue ich bei der Baader Bank aus meinem Bürofenster, blicke ich auf einen nicht enden wollenden Winter unter der Knute russischer Kälte. Hat da etwa Väterchen Frost alias Wladimir Putin seine Finger im Spiel? So oder so werden wir noch bis 2024 „Freude“ an ihm haben. Er geht in seine vierte Amtszeit. Das verbindet ihn mit Angela Merkel.

Wladimir Putins Wiederwahl erfreut nicht jeden und jede. Seine Besetzung der Krim war, ist und bleibt völkerrechtswidrig. Doch möge man auch bedenken, dass nach der Zupflasterung der russischen Westgrenze ein irgendwann beitretendes Nato-Mitgliedsland Ukraine die Umzingelung perfekt gemacht hätte. Diesen übergroßen westlichen Stachel im Fleisch des russischen Bären wollte Putin nicht akzeptieren. Allerdings achtet neben Onkel Putin auch Uncle Sam immer sehr darauf, dass der eigene Vorgarten feindfrei bleibt. Mit zweierlei Maß sollte nicht gemessen werden. Eine Weltmacht, die ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Keine Sorge, kein Stein wird den Boden verlassen.

Putin spielt virtuos mit der russischen Volksseele

Ich bin kein Putin-Versteher. Er ist kein lupenreiner Demokrat, sondern nur eine billige Nachahmung aus dem Kaugummiautomaten. Und sollte Russland hinter dem Nervengiftanschlag stecken, ist das ein widerwärtiger Terroranschlag.

Doch will man jetzt weitere sechs Jahre Eskalation, ja Kalten Krieg zwischen West und Ost in Kauf nehmen? Jene Politiker, die immer noch glauben, Putins Russland könnte mit Sanktionen mürbe gemacht werden, leiden unter krankhaftem Realitätsverlust. Im Gegenteil, der westliche Druck macht Putin stark. Um es vor allem Amerika zu zeigen, würden Putins Russen zur Not wohl auch Baumrinde vertilgen. Erzürnt zeigen sich die Russen übrigens immer noch von Prinz Charming. Barack Obama nannte Russland nur eine Regionalmacht. Auch so kann man beweisen, dass man bei der Verteilung der außenpolitischen Diplomatie unentschuldigt gefehlt hat.

Die harte westliche Haltung kommt wie ein Bumerang zurück. Die Entzweiung wird immer größer. Russland ist kaum noch einzufangen. Putin hat wie ein Trotzkind die Flucht nach vorne insbesondere zum Schaden Europas angetreten. Im Nahen Osten, in Syrien z.B. hat der russische Bär das Sagen, nicht Amerika oder die EU. Man kann es drehen und wenden, aber eine Lösung auch der syrischen Flüchtlingskrise ist ohne Putin kaum möglich. Und nur er hat nennenswerten Einfluss auf Erdogan. Damit befindet sich Europa und vor allem die deutsche Politik in einem Dilemma. Auf der einen Seite will man das Verhältnis zum großen Bruder Amerika nicht völlig gefährden, obwohl dieses zurzeit eher an Kain und Abel erinnert.

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Diplomatie ist die Kunst des Möglichen

Auf der anderen Seite sollte Deutschland aber ebenso seine nationalen Interessen wahren. Ohnehin wird Deutschland in Russland immer noch sehr ernst genommen. Schon immer wollte Russland einen Freund im Westen haben und dachte dabei zuerst an uns. Auch gegen Widerstände im Westen muss Berlin es mit dieser pragmatischen „Leben und Leben lassen“-Strategie versuchen. Im festen Glauben, dass der Herrgott Hirn an alle Seiten einigermaßen fair verteilt hat, muss miteinander gesprochen werden. Deutsche Politik war doch schon unter Willy Brandt und zweimal Helmut immer der Vermittler zwischen Ost und West. Nennen wir es Realpolitik. Noch einmal sechs Jahre Kalter Krieg müssen verhindert werden. Man muss mit den Tatsachen umgehen, die existieren, nicht mit denen, die man gerne hätte. Wir können uns keinen Wunschpräsidenten in Moskau backen. Die Zutaten sind nicht vorhanden.

Wirtschaftspolitik als Backhefe für eine Wiederannäherung von West und Ost

Russland als industriell unglücklich rückständiges Land mit sagenhaftem Rohstoffreichtum schreit doch förmlich danach, von deutschem Know How beglückt zu werden. Tümpel und Frosch fänden zueinander. Vor allem der deutsche Mittelstand würde sich freuen.

Dagegen hat Amerika im Konflikt zwischen Deutschland und Russland nichts zu verlieren. Im Bedarfsfall würde Trump sich freuen, die europäischen „Freunde“ mit gefracktem US-Öl als Alternative zu russischem zu erquicken.

Nicht zuletzt hätten stabile deutsche und europäische Beziehungen zu Russland auch Vorteile, um der zunehmenden wirtschaftspolitischen Abhängigkeit zu China zu begegnen. Peking und Moskau sind sich nicht unbedingt grün. Und wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte, Deutschland. Man könnte Russland als (wirtschafts-)politischen „Verbündeten“ nutzen.

Es hat nichts mit Beschwichtigungspolitik, mit Appeasement zu tun, wenn Mütterchen Deutschland den Kontakt mit Väterchen Russland sucht. Wir reden ja auch mit anderen Staatspräsidenten, die null Chancen haben, in den demokratischen Himmel zu kommen. Und die bekommen sogar noch deutsche Rüstungsgüter. Überhaupt, wenn andere Länder knallhart ihre Wirtschaftsinteressen verfolgen, siehe Handelssanktionen, kann auch ein bisschen deutscher Egoismus nicht schaden. Wir müssen nicht jede Weltmeisterschaft in ideologischem Hypermoralismus gewinnen.

Putin hat nicht die westliche Politik, dafür aber ihr Kapital auf seiner Seite

Die Finanzmärkte sind weniger Russland feindlich eingestellt. Die Ausfallprämien Russlands sind gefallen. Die Bonität des Landes hat sich trotz Sanktionen seit 2015 deutlich gebessert, von Staatspleite keine Spur mehr. Ein zuletzt steigender Ölpreis hat das russische Sparschwein wieder gemästet. Westliche Rating-Agenturen geben dem Land sogar den Status „kreditwürdig“ und selbst US- und britische Anleger öffnen ihre Portemonnaies, um Putins Anleihen - wenn auch auf Dollar-Basis - zu zeichnen. Putin wird am Kapitalmarkt wieder bedient.

Schwieriger ist die Lage am russischen Aktienmarkt. Hier sorgen die Wirtschaftssanktionen und die einseitige Abhängigkeit Russlands von Öl und Gas, deren Absatz von Fracking-Öl bedroht wird, für Moll-Stimmung.

Um russische Aktien grundsätzlich attraktiv zu machen, müssen West und Ost miteinander wieder friedliche Koexistenz praktizieren. Ich habe mir sagen lassen, dass Angela Merkle noch etwas russisch und Wladimir Putin ein bisschen deutsch spricht. An der Verständigung sollte es also nicht scheitern.

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