Robert Rethfeld | 25.06.2013 16:38
Die Proteste in der Türkei und in Brasilien sind Ausdruck einer zu Wohlstand gekommenen Generation. Es sind junge Menschen, die sich den Slogan der 1968er Generation „Unter den Talaren, Muff von 1000 Jahren“ zu Eigen machen. Die 1968er waren Kinder des Wirtschaftswunders, genauso wie heute die junge türkische und brasilianische Generation.
Die Schere der bewussten Wahrnehmung zwischen dem jungen und gebildeten Teil der Bevölkerung einerseits und denjenigen, die in der Erhaltung des Status Quo verharren, öffnet sich mit zunehmendem Wohlstand immer mehr. Schließlich kommt es aus vergleichsweise nichtigen Anlässen zu Protesten. Dabei geht es schnell um größere Veränderungen. Es erscheint durchaus wahrscheinlich, dass sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ein türkischer und/ oder brasilianischer Joschka Fischer an die politische Spitze durchfechten wird (und mit ihm die ganze Bewegung).
Interessant ist, an welcher Stelle im Finanzzyklus derartige Proteste aufbrechen. In den 1950er und 1960er Jahren kam es in den entwickelten Staaten zu einer Phase länger anhaltender Prosperität (in Deutschland „Wirtschaftswunder“ genannt). Diese Phase ging mit einem Anstieg der Aktienmärkte einher. Das Jahr 1968 (siehe Pfeil folgender Chart) bezeichnet eine Phase, in der erste Brüche des Aufschwungs sichtbar wurden.
Im heutigen Brasilien spiegelt sich das damalige Szenario. Der brasilianische Leitindex Bovespa markierte in den Jahren 2008 und 2010 ein Doppelhoch. Die Proteste finden in einer Zeit statt, in der die junge Generation erstmals eine abnehmende wirtschaftliche Dynamik realisiert.
Die Schwäche der Emerging Markets – auch China ist zu nennen – bringt niedrige Rohstoffpreise mit sich. Gleichzeitig werden die Marktteilnehmer in den USA auf ein Ende der quantitativen Lockerung sowie einen „Regime-Change“ pro steigende Zinsen vorbereitet. Dies führte jüngst an den Märkten zu einem generellen Luftablassen. Dabei wurde Liquidität in hohem Maße beseitigt.
Die Aussicht auf ein Ende des bisher gewollten Niedrigzinsumfeldes machte sich seit Anfang Mai in steigenden Renditen und einem Abverkauf zinssensitiver Sektoren bemerkbar. Acht Hindenburg-Omen in Folge stehen für diese Bewegung. Steigende Renditen bei fallenden Inflationserwartungen führten zu einem deutlichen Anstieg des Realzinses. Dies ließ die Edelmetallpreise fallen.
Die Rendite für 10jährige US-Staatsanleihen stieg am Freitag auf 2,5%. Damit wurde eine wichtige Widerstandsmarke übertroffen.
Rendite 10jähriger US-Anleihen Tageschart
Gemessen an der Steilheit und Dauer des Renditeabwärtstrends erscheint ein Anstieg, der innerhalb kurzer Zeit ein Renditeniveau von 3,5 bis 4% erreicht, mit geringer Wahrscheinlichkeit belegt. Dies insbesondere im Hinblick auf das aktuelle Niedriginflationsumfeld. Die Renditen haben bis zum Jahr 2040 Zeit, um ein Niveau von 6 bis 8% zu erreichen. Die Marke von 14% aus dem Jahr 1981 (Jahresendstand, zwischendrin ging es noch höher) war eine 200-Jahres-Ausnahme und muss im nächsten Zyklus nicht wieder erreicht werden.
In den vergangenen Wochen wurde viel darüber diskutiert, ob nicht das Jahr 1994 ein Prototyp für den aktuellen Verlauf sei. Die Renditen zogen zwischen Februar und April 1994 deutlich an (siehe schwarzen Pfeil folgender Chart).
Das Jahr 1994 lehrt uns, dass steigende Renditen dazu in der Lage sind, Aktienmärkte zu verunsichern. Insbesondere dann, wenn der Renditeanstieg schnell und steil verläuft und ein „Regime-Change“ der Fed damit verbunden ist (Damals erhöhte Alan Greenspan die Zinsen, aktuell zieht Ben Bernanke verbal die Zügel an). Gleichzeitig vermittelt diese Grafik, dass ein Ende des Zinsanstiegs in solchen Phasen häufig mit einem Tief an den Aktienmärkten einhergeht. Solange die Renditen anziehen, dürfte die Verunsicherung an den Aktienmärkten bestehen bleiben.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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