Populismus bremst die Vertiefung der Währungsunion

 | 20.03.2018 15:13

Die Ankündigung der US-Regierung neue Zölle auf Stahlimporte zu erheben und die Bereitschaft, einen Handelskrieg mit den amerikanischen Verbündeten zu führen, sollte ein Weckruf für diejenigen sein, die sich weitgehend auf Rechtsstaatlichkeit, internationale Organisationen und Zusammenarbeit stützen – also die gemeinsamen Säulen des multilateralen Nachkriegssystems. Der aktuell sich ausbreitende Populismus ist auch ein Risiko für die weitere europäische Integration.

Wir haben wiederholt unsere Einschätzung betont, dass populistische Strömungen trotz der derzeit günstigen Wirtschaftsdynamik und sinkender Arbeitslosenquoten stark bleiben werden. Ein Grund dafür dürfte darin liegen, dass die Pro-Kopf-Einkommen seit Ende 2006 in vielen Ländern kaum gestiegen und in einigen sogar zurückgegangen sind. In Europa richtet sich der Populismus wie in den USA gegen die Macht der sogenannten Eliten und Experten und nimmt eine nationalistische und EU-kritische Haltung an. Lediglich die Idee, die Währungsunion zu verlassen, hat sich für populistische Parteien nicht ausgezahlt, da die Wähler dies eindeutig mit negativen Folgen für ihre Ersparnisse assoziiert haben. Stattdessen setzen sich Populisten gegen eine Austeritätspolitik, eine straffere Geldpolitik und schmerzhafte Strukturreformen ein, die für eine weitere Vertiefung und Risikoteilung in der Europäischen Währungsunion (EWU) notwendig wären. Das italienische Wahlergebnis war der jüngste Beweis für diesen Trend, ebenso wie das Brexit-Referendum davor und in einigen Punkten sogar die Wahl von Macron in Frankreich.

Der US-Präsident zeigt derzeit auf, welche gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen sich ergeben könnten, wenn eine populistische Regierung eine starke Position in Europa erhält: (1) Schwindender Einfluss von Experten (Pariser Klimaschutzabkommen, internationaler Handel) (2) Geringere Bedeutung internationaler Institutionen (WTO, UNO), da Populisten ihre Legitimität anzweifeln und sie als Interessenvertreter der alten Eliten statt des Volkes betrachten. (3) Die Einhaltung internationaler Verträge, Regeln und Konventionen wird unsicherer, da Populisten erklären würden, dass sie nicht im Interesse des Souveräns sind und dass frühere Regierungen die wahren Interessen ihrer Nationen und Völker preisgegeben haben (NAFTA, NATO, Brexit, TPP, griechisches Rettungsreferendum). (4) Internationale Zusammenarbeit und Diplomatie erhalten eine geringere Bedeutung. (5) Populisten werden ihre Politik kurzfristiger ausrichten und weniger nachhaltig agieren (US-Steuerreform und Ausgabenpläne).

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Europa sollte die oben genannten Lehren zur Kenntnis nehmen und überdenken, wie verwundbar das Euro-Gebiet wäre, wenn eine populistische Regierung die Regeln der EWU offen ablehnen würde. Die stille Nichteinhaltung der Maastricht-Regeln und des Stabilitäts- und Wachstumspakts sind nicht ermutigend, ebenso wenig wie die jüngere Nichteinhaltung einiger osteuropäischer Regierungen im Hinblick auf die Flüchtlingsverteilung und das europäische Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Die ständige Kritik an der Geldpolitik der EZB durch deutsche Politiker und Ökonomen ist ebenfalls nicht hilfreich, Vertrauen in europäische Institutionen zu stärken. In allen Fällen würden nationale Interessen Vorrang vor internationalen Verpflichtungen haben. «Brüssel oder Frankfurt gegen den Volkswillen» ist ein Kampf, den Institutionen, die sich an die Regeln halten, schlecht gewinnen können.

Es wird oft behauptet, dass die EWU unvollständig sei, da es ihr an einer gemeinsamen Steuerpolitik und einer Banken- oder Kapitalmarktunion mangelt. Vor allem aber fehlt es ihr an gemeinsamen Medien, über die Argumente ausgetauscht und weiterentwickelt werden können. Stattdessen bleibt die mediale Landschaft national stark segmentiert. Dies belegt eine neue Studie von Müller, Porcaro und von Nordheim1 , die im Februar von der Denkfabrik Bruegel veröffentlicht wurde. Mittels einer Analyse von über 50.000 Zeitungsartikeln über die Euro-Krise in einer der grossen nationalen Tageszeitungen der vier grössten EWU-Mitglieder stellen die Autoren fest, dass die Ursachen für die Euro-Krise national komplett anders beurteilten. In Deutschland werden die Krisenursachen typischerweise ausserhalb Deutschlands gefunden, insbesondere bei Griechenland und der EZB. Im Gegensatz dazu werden in Frankreich die europäischen Institutionen nicht kritisiert, dafür alle anderen, einschliesslich der eigenen politischen Klasse. Spanien betont das eigene Fehlverhalten in den Jahren vor der Krise während Italien sich als Opfer unglücklicher Umstände und aufgezwungener Sparmassnahmen sieht. Es ist klar, wie schwierig es ist, eine gemeinsame politische Antwort auf die aktuellen Herausforderungen zu finden, wenn die öffentliche Meinung über die Ursachen der Euro-Krise in den einzelnen Ländern so unterschiedlich ist.

So optimistisch wir für das europäische Projekt sind angesichts der erwiesenen Fähigkeit, Probleme in Krisenzeiten zu lösen, fragen wir uns, was der potenzielle Nachteil einer weiteren Vertiefung der EWU mit stärker vergemeinschafteten Risiken ist. Hätte eine populistische Regierung nicht einen starken Anreiz, gemeinsame Anleihen nicht zu bedienen oder internationalen Verpflichtungen nicht nachzukommen, wenn sie vor der Wahl stünde, ihre Pensionszahlungen andernfalls kürzen zu müssen? Würde sie nicht von ihren europäischen Partnern Solidarität in Form von «Liquiditätshilfen» fordern und würde es nicht wieder schwierig sein, diese abzulehnen? Und würde eine populistische Regierung nicht zuerst unfaire internationale Regeln und Verpflichtungen für eine neue Krise verantwortlich machen anstatt ihrer eigenen Reformunfähigkeit? Europäische Regeln und Konventionen sind wichtig. Wir sollten uns aber auch Gedanken darüber machen, was passiert, wenn eine souveräne Regierung innerhalb der EWU beschliesst, sich nicht an sie zu halten. Dies könnte den Prozess der Vertiefung und Stabilisierung der EWU verlangsamen. Aber vielleicht ist es auch genau das, was viele europäische Wähler bevorzugen würden.

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