Stockstreet GmbH | 18.12.2013 10:13
Ich habe heute mehrere Anfragen erhalten, wie man sich in den kommenden Tagen positionieren soll. Meine Antwort darauf war so einfach wie ernüchternd: Gar nicht! Aus folgenden Gründen:
Fed-Sitzung beginnt
Es wird spannend in den kommenden Tagen, da dürften sich alle Beteiligten einig sein. Denn heute beginnt die Fed-Sitzung, in der über das weitere Vorgehen entschieden wird. Die alles entscheidende Frage in diesem Zusammenhang lautet: Kommt es bereits jetzt zu einer Rückführung der Anleihekäufe ("Tapering") oder wird auf dieser Sitzung lediglich ein Fahrplan für das zukünftige Tapering entworfen? Natürlich kann auch noch nichts beschlossen werden, womit diese Entscheidung auf die kommende Sitzung vertagt würde.
Da hier wenig Klarheit herrscht sind sich auch die Analysten uneins: Lediglich etwas mehr als ein Drittel geht davon aus, dass noch auf dieser Sitzung eine Einschränkung der Käufe beschlossen wird. Vor Kurzem waren es aber noch deutlich weniger. Die Mehrheit rechnet jedoch nach wie vor erst mit einer Entscheidung im kommenden Jahr. Sie erinnern sich, das spiegelte sich auch in der Entwicklung des EUR/USD wieder.
Wie reagiert der Markt auf die diversen Szenarien?
Aber das ist nicht die einzige Frage, die uns umtreibt. Interessant ist auch, wie der Markt auf eine Entscheidung oder Nicht-Entscheidung reagieren wird.
Gehen wir zunächst davon aus, dass die Fed tatsächlich mit dem Tapering anfängt.
Der Markt könnte nach den ersten Reaktionen in eine Art Erleichterungsrally übergehen. Schließlich mag der Markt alles, aber keine Unsicherheit. Dieses Szenario passt zu der alten Weisheit, die ich schon vor einigen Tagen hier in diesem Zusammenhang genannt habe: Verkaufe die Gerüchte, kaufe die Tatsache.
Durchaus möglich wäre aber auch, dass gerade institutionelle Anleger anfangen, mit dieser Entscheidung Positionen abzubauen. Das hätte zur Folge, dass diese Erleichterungsrally schnell wieder in sich zusammfällt.
Was geschieht, wenn die Fed noch kein Tapering beschließt?
Es wird sich nicht viel an den Szenarien ändern. Es könnte daraufhin ebenfalls zu einer Erleichterungsrally und damit einer Fortführung der Jahresendrally bis in den Januar hinein kommen. Genauso könnten sich die Anleger enttäuscht zeigen, dass sie nun immer noch mit der Unsicherheit leben müssen.
Alle anderen Szenarien
Und dann gibt es noch einige andere Szenarien, bei denen die Fed entweder Andeutungen macht oder aber konkrete Hinweise gibt. Die darauf folgenden Reaktionen hängen dann davon ab, was die Fed genau bekannt gibt.
Vertrackte Situation
Derart vertrackt wie in diesem Fall war es eigentlich selten vor einer Fed-Sitzung. Und so verwundert es nicht, dass auch der Markt keine klaren Signale liefert. Selbst das erschwert eine Prognose. Dazu ein Beispiel: Wären die US-Indizes im Vorfeld stark gefallen, dann wäre viel Negatives bereits eingepreist gewesen. Das hätte für eine Erleichterungsrally im Anschluss an die Zinssitzung gesprochen. Aber genau das ist nicht geschehen.
Wie gehen Sie als Anleger mit so einer Situationen um?
Wenn die Lage undurchsichtig ist, sollte man tendenziell eher die Füße still halten. Denken Sie daran, das Jahr ist bald vorbei. Ich schätze, dass viele Anleger gute Gewinne erzielt haben. Warum soll man die Performance in den wenigen Tagen, die noch bleiben, gefährden?
Und wenn Sie mit neuen Positionierungen bis nach dem Verfallstag warten, ein Prozedere, das ich sonst empfohlen hätte, bleiben im DAX nur noch drei (!) Handelstage bis zum Jahresende übrig:
Montag, der 23.12.2013, Freitag, der 27.12.2013 und Montag, der 30.12.2013! Sie können davon ausgehen, dass hier der Markt aufgrund niedriger Umsätze sehr leicht zu manipulieren ist. Und da Fonds solche Situationen gerne dazu nutzen, noch ein wenig ihren Jahresabschluss aufzuhübschen, kann an diesen drei Tagen alles Mögliche geschehen.
Und aus diesen Gründen werden Sie in den kommenden Tagen bis zum Jahresende kein wirklich gutes Chance/Risiko-Verhältnis für neue Positionen herausarbeiten können. (Alte Positionen sollten Sie schrittweise absichern, aber das habe ich Ihnen bereits vor der aktuellen Konsolidierung geraten.)
Unverwundbar?
Interessanterweise sind es gerade solch undurchsichtigen Phasen nach einer langen Rally, in denen Trader gerne noch den ein oder anderen größeren und schmerzhaften Fehler machen. Das hat einen einfachen Grund: Die „einfachen“ Gewinne in einer Rally führen bei vielen, vorzugsweise männlichen, Trader dazu, dass sich ihr Ego aufbläht. Es entsteht ein Gefühl der Stärke, der Unverwundbarkeit.
Und genau dadurch werden zu große Risiken eingegangen. In einer Rally können sich zu große Risiken in große Gewinne umwandeln. Wenn aber Risiken auf eine undurchsichtige Situation stoßen, werden sie höchst gefährlich. Und eben das ist der Grund, warum ich heute darüber schreibe.
Es war ein hartes Jahr, ohne Frage. Es war ein gutes Jahr, zumindest für die meisten Trader. Lassen Sie es einfach ausklingen, nehmen Sie sich vielleicht etwas Urlaub – bei diesem vertrackten Spiel der kommenden Tage muss man, sofern man seine Gewinne im Trockenen hat, tatsächlich nicht mehr dabei sein…
Wobei ich natürlich weiß, dass gerade die Trader, die prädestiniert für die großen Fehler nach einer Rally sind, nicht auf meine Worte hören werden – ihr Ego ist zu groß dafür. Sie werden noch einen drauf setzen wollen, sie wollen noch den letzten coolen Trade in diesem Jahr machen. Der Trade, der diesem Jahr ein Denkmal setzt. Doch oft genug entpuppt sich dieses Denkmal als Grabstein…
Jochen Steffens
Stockstreet GmbH
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