Michael Kramer | 16.05.2022 06:47
Der NASDAQ 100 ist im Jahr 2022 um fast 30 % gefallen, ohne dass bisher ein Ende in Sicht ist. Die Kursrückgänge haben einen guten Grund, vor allem weil die US-Notenbank (Fed) auf dem besten Weg ist, die Zinsen in den Jahren 2022 und 2023 mehrfach anzuheben, was zu einem deutlichen Anstieg der Zinssätze und sinkenden Gewinnschätzungen geführt hat.
Darüber hinaus gestalten sich die technischen Trends an der NASDAQ extrem schwach und haben bisher kaum Anzeichen für eine Verbesserung gezeigt. Die Kombination aus schwächeren fundamentalen Aussichten und einer sich eintrübenden Charttechnik ist eine Erklärung für die allgemeine Marktschwäche und dafür, dass die alten Allzeithochs möglicherweise lange Zeit nicht wieder erreicht werden.
Zinssätze wie die der 10-jährigen TIPS sind im Jahr 2022 drastisch gestiegen, wodurch das Kurs-Gewinn-Verhältnis des NASDAQ 100 zurückgegangen ist und sich somit auch der Wert des Index verringert hat. Das liegt daran, dass steigende Zinsen die Gewinnrendite des NASDAQ 100 beeinflussen. Die Gewinnrendite ist der Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses, d.h. je höher die Gewinnrendite steigt, desto niedriger wird das Kurs-Gewinn-Verhältnis.
Zusätzlich zu den steigenden Zinsen sind die Gewinnschätzungen für den NASDAQ 100 seit Anfang 2022 drastisch gesunken. Im Januar stiegen die Gewinnprognosen für den NASDAQ 100 auf fast 571 USD pro Aktie. Seitdem sind die Schätzungen auf 560 USD gesunken, was einem Rückgang von etwa 2 % entspricht. Im Großen und Ganzen ist das nicht viel, aber wenn die KGV-Multiples sinken, kann ein Rückgang der Gewinnschätzungen eine niedrigere Bewertung verursachen.
Quelle: Bloomberg
Rückläufige Gewinne auf breiterer Indexebene sowie ein geringeres Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) spiegeln sich auch bei den Einzelwerten wider. Deutlich wird diese Entwicklung an dem NAHL-Indikator, der die Zahl der NASDAQ-Aktien mit neuen Höchstständen von den Aktien mit neuen Tiefstständen subtrahiert. Die Zahl der neuen Tiefststände übersteigt seit Monaten die Zahl der neuen Höchststände und es gibt keine Anzeichen für eine Verlangsamung dieses Trends. Eine kumulative Betrachtung der Differenz verdeutlicht den enormen Rückgang seit dem Höchststand im November.
Noch wichtiger ist, dass der Indikator wohl noch keinen Boden gebildet hat. In der Vergangenheit war es so, dass der Indikator immer dann seine Talfahrt stoppte, wenn der NASDAQ 100 seinen Tiefpunkt erreichte.
Der einzige Lichtblick ist, dass der Prozentsatz der Aktien, die über ihrem gleitenden 200-Tage-Durchschnitt liegen, im NASDAQ unter 10 % gefallen ist. Historisch gesehen handelt es sich hierbei um ein sehr seltenes Phänomen. In den letzten 20 Jahren lag der Indikator in nur seltenen Fällen unter 10 % - ein Zeichen dafür, wie negativ die Stimmung gegenüber vielen Aktien ist.
Das größte Problem für den NASDAQ und seine weitere Entwicklung wird sein, wie stark die Zinsen steigen und ob die Gewinnschätzungen weiter nach unten korrigiert werden. Das wiederum wird davon abhängen, was die Fed am Ende tatsächlich plant und wie hoch sie die Zinsen anheben will, sowie von den möglichen Auswirkungen höherer Zinsen auf die Wirtschaft.
Es sind schwierige Zeiten, und angesichts des von der Fed eingeschlagenen Weges scheint es unwahrscheinlich, dass das KGV der NASDAQ ihre alten Höchststände so bald wieder erreichen wird.
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