Philip Hopf | 19.12.2022 16:25
Der Krypto-Sektor kommt nach dem FTX-Kollaps einfach nicht zur Ruhe. In den vergangenen Wochen veröffentlichten zahlreiche Börsen sogenannte Proof of Reserves. Mit diesem soll nachgewiesen werden, dass man über ausreichend Liquidität verfügt, um bei Bedarf allen Kunden ihre Assets auszuzahlen. Viele Anleger sind jedoch skeptisch, inwiefern sie diesen Nachweisen trauen können. Und das ist auch durchaus nachvollziehbar. Um das Vertrauen der Anlegerschaft wieder zurückzugewinnen, holten sich einige Krypto-Broker deshalb – allen voran der Platzhirsch Binance sowie die Konkurrenten crypto.com und KuCoin – mit der Mazars Group eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ins Boot. Nachdem diese aber zunächst die Proof of Reserves der betreuten Börsen bestätigt hatte, hat das Unternehmen nun plötzlich angekündigt, vorerst keine Berichte mehr zu Vermögenswerten von Krypto-Firmen zu erstellen.
Mazars begründet diesen Schritt am Freitag damit, dass man Bedenken habe, wie die erstellten Proof of Reserves-Berichte von der Öffentlichkeit interpretiert werden. Zwar könne mit den Berichten bestätigt werden, dass die bei den Börsen liegenden Krypto-Werte die Einlagen der Kunden decken, jedoch verweist Mazars darauf, dass bei den betreuten Krypto-Unternehmen – anders als bei vollständigen Prüfungen – lediglich die Vermögenswerte im Fokus der Untersuchung standen. Etwaige Verbindlichkeiten seien hier nicht berücksichtigt worden. Auch wir hatten hinsichtlich der Wertigkeit dieser Proof of Reserves bereits in diesem Artikel berichtet. So liefern die Plattformen mit den PoR-Berichten zwar Nachweise über die gehaltenen Assets, seriöse Aussagen über deren tatsächliche Liquidität lassen sich auf Basis dieser Prüfungen aber nicht treffen. Warum die Wirtschaftsprüfgesellschaft bei Krypto-Börsen von ihrer gewöhnlichen Vorgehensweise abweicht, ist unklar. Was hingegen klar ist: Inzwischen sind die Proof of Reserves-Berichte der Krypto-Broker Binance, crypto.com und KuCoin von der Mazars-Website verschwunden. Und dies wurde von der Krypto-Community natürlich nicht unbedingt positiv aufgenommen.
Verwiesen sei hier aber auch darauf, dass die gescheiterte Börse FTX als die wohl am stärksten regulierte und auch geprüfte Krypto-Handelsplattform der Welt galt. Und dennoch konnte CEO Sam Bankman-Fried offenbar unbemerkt Milliarden an User-Assets von der Plattform abziehen und unter anderem auf die Konten seines Zwei-Unternehmens Alameda Research transferieren – und das über mehrere Monate, ja vielleicht sogar Jahre hinweg. In den USA laufen deshalb derzeit auch zahlreiche Klagen gegen die zwei Wirtschaftsprüfungsunternehmen Prager Metis und Armanino. Diese hatten FTX in unterschiedlichen Bereichen geprüft und – ob nun wissentlich oder nicht – deutliche Alarmsignale übersehen. Auch das krypto-fremde Beispiel Wirecard (ETR:WDIG) zeigt, dass die Anwesenheit von Prüfungsgesellschaften oder Aufsichtsbehörden – selbst wenn es sich hierbei, wie bei der BaFin, um eine staatliche Einrichtung handelt – keine hundertprozentige Sicherheit geben kann.
Abschließend sei gesagt, dass im Finanzsektor im Allgemeinen – und im Speziellen bei noch so jungen und entsprechend eher riskanten Anlageklassen wie den Kryptowährungen – stets Vorsicht geboten ist. Getreu nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und Kontrolle über Ihre Krypto-Assets haben Sie eben nur, wenn diese – dem Sinn einer Kryptowährung entsprechend – nicht zentral auf einer Börse, sondern dezentral in ihrer eigenen Wallet aufbewahren.
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