Stephan Heibel | 25.04.2023 10:00
Big Tech ist im Kreuzfeuer: Apple (NASDAQ:AAPL), Microsoft (NASDAQ:MSFT) und SAP (ETR:SAPG) steigen an, während man sich bei Amazon (NASDAQ:AMZN), Alphabet (NASDAQ:GOOGL) und Tesla (NASDAQ:TSLA) Sorgen um die Zukunft macht. Ich werfe einen Blick auf die strategische Ausrichtung der Konzerne, um daraus deren Zukunftsfähigkeit mit langfristigem Horizont abzuleiten.
90% aller Suchanfragen weltweit laufen über Google (GOOGL), die Suchmaschine von Alphabet. Microsoft (MSFT) kommt mit seiner Suchmaschine Bing nur auf einen Marktanteil von 3%. Vernachlässigbar, könnte man meinen. Doch ChatGPT ändert alles.
Die Antworten von ChatGPT mögen manchmal fehlerhaft sein. Doch sie sind wesentlich konkreter als die Suchergebnisse einer Suchmaschine. Als Startpunkt für eine Recherche sind die Antworten von ChatGPT besser. Die Gefahr der KI liegt darin, dass die Antworten sehr überzeugend formuliert sind und von vielen für bare Münze genommen werden.
Kein anderer Dienst hat so schnell 100 Mio. DAUs (täglich aktive Nutzer) gewonnen wie ChatGPT. Viele Fragen, die bislang über Suchanfragen gelöst werden sollten, werden inzwischen direkt an ChatGPT gestellt. Microsoft integriert ChatGPT immer weiter in das eigene Angebot. Die Integration in Skype habe ich vor zwei Wochen beschrieben. Bei dieser Wachstumsgeschwindigkeit ist auch der Abstand zur Google Suchmaschine mit 1 Mrd. DAUs nicht mehr groß.
Nun wurde bekannt, dass Samsung (F:SAMEq) überlegt, von Google auf Bing umzustellen. Jedes Jahr zahlt Alphabet 3 Mrd. USD an Samsung, damit die Android-Smartphones automatisch auf die Google-Suche verweisen. An Apple zahlt Alphabet übrigens 20 Mrd. USD im Jahr für die Default-Suchmaschine Google bei Safari.
Gut möglich, dass Samsung die Gunst der Stunde nutzt, um den Preis in die Höhe zu schrauben. Dennoch zeigt die Entwicklung, dass das Suchmaschinenmonopol von Google gar nicht so unantastbar ist wie bislang gedacht. Und schon eine Veränderung der Nutzung um ein paar Prozent zu Lasten von Google würde erhebliche Einnahmeeinbußen für Alphabet nach sich ziehen ... und Gewinne bei Microsoft.
Vor diesem Hintergrund habe ich mir Gedanken darüber gemacht, welches der beiden Unternehmen eigentlich derzeit besser aufgestellt ist. Und Sie werden überrascht sein, dass ich als Apple-Jünger nun Microsoft als besser positioniert sehe. CEO Satya Nadella hat seit seiner Amtsübernahme viel überflüssiges Fett von Microsoft abgeschlagen, den Konzern auf SaaS (Software as a Service = Abomodell) getrimmt und das Office-Paket intelligent um weitere Dienste erweitert und zu Teams gemacht.
Die Integration von ChatGPT in die Teams-Umgebung ist ein weiterer Schritt, der von ihm lange vorbereitet wurde. Es spricht für eine Weitsicht, die Alphabet CEO Sandra Pichai mit seinen unzähligen "Other Bets" nicht mehr hat erkennen lassen. Und da ich stets dem CEO eines Unternehmens große Bedeutung zuspreche, ist Microsoft in meinen Augen strategisch deutlich besser positioniert.
Investment vs. Spekulation
Schauen wir uns mal an, ob sich diese Erkenntnis bereits in den jeweiligen Bewertungsniveaus niedergeschlagen hat. Microsoft hat eine Gewinnmarge (EBITDA) von 48%, Alphabet nur von 39%. Dafür wächst der Gewinn von Alphabet im laufenden Jahr mit voraussichtlich 5%, während Microsoft nur 2% avisiert. Beide Unternehmen verfügen über reichlich Cash und beide Unternehmen investieren jährlich 10-12% Ihres Umsatzes. Microsoft zahlt immerhin schon eine Dividende und erhöht diese jedes Jahr, die Rendite steht jedoch nur bei 1%. Alphabet zahlt noch keine Dividende.
Für 2023 steht das EV/EBITDA von Alphabet bei 11, das von Microsoft bei 21. Bei sonst vergleichbaren Kennzahlen ist Alphabet also nur halb so teuer, vielleicht weil der Gewinn doppelt so schnell wächst. Hmm, was ziehen wir nun daraus?
Beides sind hervorragend geführte Unternehmen, beide Unternehmen werden meiner Einschätzung nach von neuen technologischen Entwicklungen wie der KI profitieren. Es ist extrem aufwendig, die KI für die Kunden nutzbar zu machen. Microsoft hat derzeit die Nase vorn, Alphabet wird sich jedoch nicht abhängen lassen. Doch ich könnte mir gut vorstellen, dass Microsoft dadurch, dass es die Nase vorn hat, Alphabet ein paar Marktanteile abnehmen kann.
Diese Erwartung ist offensichtlich bereits in die beiden Aktien eingepreist. Daher würde es mich nicht wundern, wenn kurz und mittelfristig, also auf Sicht von bis zu sechs Monaten, Alphabet aufgrund der günstigeren Bewertung ein wenig Aufholpotential hat. Langfristig dürfte meiner Einschätzung nach jedoch Microsoft besser laufen, weil es sich neue Marktanteile erobert und dadurch das eigene Wachstum ein wenig nach oben schrauben könnte.
Zur Erinnerung: Die aktuellen Schätzungen sind meist lineare Extrapolarisationen der Gegenwart von Analysten. Darin sind exponentielle Entwicklungen eines überlegenen Angebots niemals enthalten, weil man das schwer in Zahlen ausdrücken kann. Dennoch würde ich als langfristig orientierter Investor derzeit Microsoft vorziehen. Zum Spekulieren hingegen würde ich Alphabet nehmen.
Zu Apple, SAP, Amazon und Tesla geht es in unserem aktuellen Heibel-Ticker weiter.
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