Meine Gespräche mit Vorständen auf dem HIT deuten auf ein konstruktives 2. Halbjahr

 | 01.09.2022 10:26

Mittwoch und Donnerstag letzte Woche war ich auf dem Hamburger Investorentag. Vorstände und IR-Manager von rund 50 Unternehmen stellten sich den Fragen von über 100 Anlegern. Ich hatte die Gelegenheit zu einer ganzen Reihe von Einzelgesprächen. Meine wichtigsten Erkenntnisse möchte ich Ihnen kurz weitergeben.

Viele von Ihnen haben meine kurzen Videos zu den Gesprächen mit diversen Vorständen bereits auf LinkedIn gesehen. Falls nicht, finden Sie die Videos in meinem LinkedIn Profil. Sie finden dort Videos und Beiträge zu Mobotix (ETR:MBQGn), Rock Technik Lithium, Pantaflix (ETR:PALG), Mountain Alliance (ETR:ECF1), home24 (ETR:H24), Hamburger Hafen und Logistik (ETR:HHFGn), PVA Tepla (ETR:TPEG), PSI Software, va-Q-tec (ETR:VQTG), Dräger(werk), 2G Energy (ETR:2GBG), CEWE (ETR:CWCG) und Netfonds (ETR:NF4).

Das war ziemlich aufwendig und ich habe in meinem aktuellen Heibel-Ticker die wichtigsten Erkenntnisse, die ich aus den Gesprächen gezogen habe, ausgearbeitet und stelle sie unten zur Verfügung. Dabei habe ich auch schon die Unternehmen, die an der Energiekrise hängen, näher besprochen: 2G Energy, PSI Software und Va-Q-Tec. Morgen werden in der nächsten Ausgabe weitere Besprechungen zu den oben genannten Unternehmen folgen.

Lieferketten

Die Chipknappheit, unter der viele Unternehmen in den vergangenen Monaten litten, löst sich auf. Spätestens im Herbst dürften die meisten Autobauer und Anbieter von elektronischen Geräten wieder normal produzieren. Die Lösung für die Zukunft, um die Produktion gegen erneute Lieferkettenprobleme künftig abzusichern, sind vielschichtig. Die einfachste ist die, das Working Capital zu erhöhen, also die Lagerhaltung hochzufahren. Da nicht selten Pfennigartikel fehlten, um teure Geräte fertig stellen zu können, ist die höhere Lagerhaltung dieser Pfennigartikel nicht sehr teuer.

Chipüberfluss

Die Chipbranche ist dafür bekannt, in Zeiten der Knappheit zu viel zu investieren, so dass wenig später zu viele Produktionskapazitäten vorhanden sind. Dieser Schweinezyklus wird auch nun von vielen Anlegern und Unternehmen der Branche befürchtet. Ich habe am Rande der Veranstaltung mit Dr. Danninger, dem CFO von Aixtron (ETR:AIXGn), sprechen können. Auch er zeigte sich sehr vorsichtig über die Wachstumsaussichten der Chipbranche für die kommenden Monate und für 2023. Allerdings sei sein Unternehmen weniger davon betroffen, da die Produkte von Aixtron verschiedene Branchen beliefern.

Doch auch bei PVA Tepla waren die entsprechenden Aussagen eher zurückhaltend. Eine beabsichtigte Kooperation inklusive Produktion auf den Maschinen von PVA wird nun von PVA alleine umgesetzt, da die Kooperation nicht zustande kam. In einem anderen Projekt kam es zu Verzögerungen.

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Es sind eine Reihe von Indizien, die mich glauben lassen, dass der aktuelle Schweinezyklus schwächer ausfallen wird als sonst: Zum einen wird nicht auf Teufel komm raus in neue Fertigungen investiert. Zum anderen steht mit dem Internet der Dinge und dem autonomen Fahren (aktuell werden bis zu 1.400 Chips in einem Auto benötigt, es sollen künftig bis zu 8.000 werden) der nächste Wachstumsmarkt in den Startlöchern. Ein Rückgang im Konsumentenmarkt der PCs und Tablets könnte durch ein Wachstum in den neuen Märkten aufgefangen werden.

Mag also sein, dass es zu den Schwankungen im Halbleitermarkt kommt. Die Schwankungen dürften mMn aber deutlich geringer ausfallen.

Inflation

Die Reaktionen auf das Thema Inflation waren ziemlich unterschiedlich. Einige Unternehmen haben ihre Preise schon angepasst und sehen darin keine Probleme. Andere Unternehmen haben die Preisanpassungen gerade angekündigt und erwarten keine Probleme. Es gibt auch Unternehmen, die aufgrund lang laufender Zulieferverträge noch nicht viel von der Inflation spüren, aber auch diese Unternehmen rechnen nicht mit Problemen, künftige Preissteigerungen an die Kunden weiterzugeben.

In einem Punkt stimmten mir alle Vorstände zu: Das war's noch lange nicht. Wenn wir auch in den kommenden Monaten eine rückläufige Inflationsrate sehen könnten, so werden Lohnsteigerungen und Preisanhebungen im Einzelhandel zu einer zweiten Runde des Inflationsdrucks führen. Und Vertrauen in die Notenbanken, die Inflation frühzeitig einzufangen, hatte eigentlich gar kein Vorstand. Vielmehr wurde ich vereinzelt darauf hingewiesen, dass anders als durch niedrige Marktzinsen bei hoher Inflation die hohe Staatsverschuldung (EU & USA) nicht zurückgeführt werden könne.

Energiekrise

Drei Unternehmen, mit denen ich gesprochen habe, stecken mitten in der Energiekrise: Va-Q-Tec, 2G Energy und PSI Software. Jedes Unternehmen hält Lösungen bereit: die Geschäfte laufen gut, von Euphorie ist jedoch trotzdem nicht viel zu sehen, weil die Branche in Turbulenzen steckt und viel Bewegung bei den Kunden stattfindet.

Der große Wurf, um ein Frieren im kommenden Winter zu vermeiden, ist nicht in Sicht. Allerdings gibt es unzählige Ansätze, den Energiebedarf zu senken. Das kostet Geld, doch das Geld sitz gerade in der Energiebranche derzeit nicht so locker. Kann der Staat helfen? Darauf zählt keiner der Vorstände, mit denen ich gesprochen habe. Der große Wurf, nach dem der Staat sucht, ist also nicht in Sicht. Kleinteilige Lösungen erscheinen zu komplex, um "von oben" durchgesetzt zu werden. Grundsätzlich vertrauen jedoch viele (nicht alle) Vorstände darauf, dass unsere Wirtschaft kreativ und dynamisch genug ist, um gut durch den Winter zu kommen.

PSI Software