James Picerno | 15.08.2023 08:05
Die meisten Märkte der Welt liegen im bisherigen Jahresverlauf noch immer deutlich im Plus, allerdings haben die jüngsten Verkäufe ein zusätzliches Mitglied in die Verlustzone befördert. Per Freitagsschluss lagen drei der 14 Segmente der wichtigsten Anlageklassen in diesem Jahr im Minus. Noch vor zwei Wochen lagen alle großen Assetklassen im Jahr 2023 im Plus.
Es ist unklar, ob es sich bei dem aktuellen Rückschlag um eine gesunde Korrektur handelt, die den Grundstein für noch höhere Notierungen legt, oder um den Beginn erheblicher Probleme, die die Märkte in den kommenden Monaten belasten werden. US-Aktien (VTI) rangieren mit einem Plus von 16,9 % im Jahr 2023 immer noch weit vorne. Die schwächste Kategorie in diesem Jahr ist der Immobilienmarkt ohne die USA (VNQI), der ein leichtes Minus von 1,3 % aufweist.
Ein wichtiger Faktor, dem die Anleger mit Spannung entgegensehen, ist die Abschwächung der chinesischen Konjunktur. Haben die Weltmärkte die trüben Aussichten für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt bereits vollständig eingepreist?
"Vor der Pandemie hatte China ein Wachstum von etwa 6 % - jetzt kämpft das Land um eine Konjunkturerholung", sagt David Dollar, Senior Fellow am China Center des Brookings Institute. "Der Konsum hat sich nach dem Lockdown nicht wirklich gebessert. Die Hauptkomponenten des BIP auf der Nachfrageseite - Konsum, Investitionen, Nettoexporte - stehen derzeit alle unter erheblichem Druck."
Die Prognose von Larry Hu, Chefvolkswirt für China bei Macquarie in Hongkong, sieht so aus:
"Die wirtschaftliche Schwäche Chinas wird die globalen Wirtschaftsaussichten mit Sicherheit belasten."
Eine Methode zur Messung des China-Effekts an den Aktienmärkten ist der Vergleich eines breiten Maßstabs für Schwellenländeraktien (EEM), einschließlich China, mit seinem Äquivalent ohne chinesische Aktien (EMXC) und globalen Aktien insgesamt (VT). Zur Veranschaulichung zeigt die folgende Abbildung die Performance eines ETF auf chinesische Aktien (MCHI) für das laufende Jahr.
Die wichtigste Erkenntnis: Der China-Effekt hat gerade erst begonnen, sich in den Aktienkursen bemerkbar zu machen, und er wird sich auf die großen US-Firmen mit Niederlassungen in diesem Land auswirken, wie das Wall Street Journal berichtet:
Die sich zuspitzende Wirtschaftskrise in China schadet den großen amerikanischen Unternehmen, die dort fest verwurzelt sind. Einige von ihnen äußern sich zunehmend pessimistisch zu der Frage, ob der lang erwartete Postpandemie-Boom des Landes tatsächlich eintreten wird.
Unternehmen, die in der angeschlagenen chinesischen Fertigungs-, Bau- und Exportindustrie tätig sind, melden schwächere Umsätze. Einige warnen vor noch größeren Problemen, weil das Wachstum fast zum Stillstand gekommen ist und die Konjunkturdaten schlecht aussehen.
Die gute Nachricht: Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten scheint immer noch robust zu sein und könnte die Schwäche Chinas bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Die US-Wirtschaftsleistung hat im zweiten Quartal angezogen, wie das BIP zeigt. Der jüngste Nowcast der Atlanta Fed für das 3. Quartal signalisiert bei Betrachtung des GDPNow-Modells der regionalen Fed-Bank eine weitere Beschleunigung des Wachstums.
Trotzdem sind die Aussichten für die Weltwirtschaft umso unsicherer, als das Ausmaß der chinesischen Konjunkturabschwächung gerade erst deutlich wird.
"Die schwachen Kreditdaten für den Monat Juli lassen vermuten, dass sich die Abwärtsspirale des Immobiliensektors weiter fortsetzt, und auch die sich verschärfenden geopolitischen Spannungen tragen zur Unsicherheit bei", erklärt Lu Ting, Chefökonom für China bei Nomura (TYO:9716) in einem Bericht vom Freitag. "In Japan haben Unternehmen in den 1990er Jahren ihre Schulden abgebaut, um ihre Überlebenschancen zu verbessern, im heutigen China hingegen reduzieren Unternehmen und Haushalte ihre Kreditaufnahme aufgrund mangelnder Zuversicht (und fehlenden Vertrauens)."
Fazit: Es ist noch zu früh, um eine konkrete Einschätzung hinsichtlich der chinesischen Konjunkturabschwächung und ihrer Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und die Märkte abzugeben.
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