Märkte freundlich – Lagarde: Kerninflation zu hoch

 | 03.04.2023 10:01

Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0793 (05:29 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0792 im fernöstlichen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 133,35. In der Folge notiert EUR-JPY bei 143,93. EUR-CHF oszilliert bei 0,9906.

Finanzmarkt: Märkte freundlich – Veränderungen der Rahmenbedingungen

Die Finanzmärkte zeigten sich in den abgelaufenen 24 Handelsstunden in freundlicher Verfassung, obwohl sich wesentliche Determinanten veränderten und weiter verändern. Die Entscheidung seitens OPEC+ die Fördermengen um 1,15 Millionen Fass Rohöl ab Mai zu reduzieren (zuvor per November 2022 um 2 Millionen Fass reduziert), war nicht erwartet worden. Laut Saudi-Arabien soll der Ölpreis damit stabilisiert werden.

In Fachkreisen wird unterstellt, dass sich dadurch der Ölpreis bis um zehn USD verteuern könnte. Der Preis für die Ölsorte Brent legte zunächst um gut 5 USD auf jetzt 84,30 USD zu. Die USA zeigen sich wenig erfreut. Dabei spielt fraglos eine Rolle, dass die USA die massiv verringerten "Strategischen Ölreserven" (aktuell niedrigster Stand seit 1983) bisher auf dem ermäßigten Niveau nicht auffüllten. Hinsichtlich der Zinspolitik der westlichen Zentralbanker stellt die Entscheidung der OPEC+ ein verschärfendes Element dar, da das Thema exogen wirkender Inflationstreiber ansatzweise verstärkt wird.

Geopolitisch ist die Welt in Bewegung. Brasilien und China betonten ihre strategische Partnerschaft und werden ihren Handel zukünftig in bilateralen Währungen abwickeln (Volumen 150 Mrd. USD, Ausschluss des USD als Transaktionswährung). Stück für Stück erodiert die Position des USD im internationalen Handel. Sie ist aber weiter dominant, die Dominanz nimmt aber schneller ab, als von Märkten antizipiert.

Saudi Arabien ist jetzt Dialogpartner der Shanghai Corporation. Der Beitritt zu BRICS+ steht auf der Agenda. Unter Führung Chinas kommt es zu diplomatischen Annäherungen, die den Nahen Osten befrieden sollen. Die Welt organisiert sich neu. Die Neuorganisation ist gleichzeitig eine Emanzipation weg von der westlichen Dominanz. Hört und sieht man in Berlin, Paris und Brüssel die Signale? Welches Konzept ist für Länder des Globalen Südens attraktiver?

Zurück zu den Märkten: Aktienmärkte waren freundlich gestimmt. Die Rendite der 10 jährigen Bundesanleihe stellt sich heute früh auf 2,29% (Vortag 2,34%) und die Rendite der 10 jährigen US-Staatsanleihe auf 3,52% (Vortag 3,55%). Der USD hat gegenüber dem EUR an Boden gewonnen. Gold verlor gegenüber dem USD in signifikanter, Silber in überschaubarer Dosis.

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Lagarde: Kerninflation ist deutlich zu hoch

Die EZB-Chefin Lagarde wies auf einer Veranstaltung in Florenz auf die historisch hohe Kerninflation hin (5,7%). Sie betonte, dieser Teil sei deutlich zu hoch.

Kommentar: Lagarde ist voll zuzustimmen. Die Kerninflation ist der Teil der Inflation, die maßgeblich selbst aus der Volkswirtschaft generiert wird. Derzeit stellen und stellen der Dienstleistungssektor und in Ansätzen die Lohnrunden Treiber der Kerninflation dar.

Lagarde sagte, dass von daher noch Wegstrecke seitens der EZB zu gehen sei. Gleichzeitig betonte sie, dass die EZB wisse, dass die Unsicherheit groß sei. Dabei nannte Lagarde geopolitische Spannungen und auch die jüngsten Börsenturbulenzen.

Kommentar: Lagarde nimmt mit dieser Äußerung Themen der im EZB-Rat dominierenden "Falken", aber auch der "Tauben" auf. Auf den Punkt gebracht hat sie damit die "falkenhafte" Spur, auf der sie zuvor unterwegs war, geringfügig nivelliert.

Zum Thema Banken merkte Lagarde an, sie würde die Credit Suisse (SIX:CSGN) und die Deutsche Bank (ETR:DBKGn) nicht in die gleiche Kategorie einordnen. Es seien vollkommen andere Geschichten, vollkommen andere Fundamentaldaten, die sie nicht in irgendeiner Form zusammenbringen würde.

Kommentar: Zustimmung.

Es gebe laut Lagarde keinen Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und Finanzstabilität. Die EZB habe einen großen Werkzeugkasten und zwei Sorten von Instrumenten. Dabei erläuterte sie, dass die EZB die Bankenbranche mit reichlich Liquidität versorge.

Kommentar: Ich nehme die Einlassungen zur Kenntnis bezüglich des Zielkonflikts. In der Tat ist der Werkzeugkasten voluminös. Liquidität ist derzeit kein Thema. Dazu passt auch die aktuelle Umfrage des IFO-Instituts. Laut Quartalsumfrage des IFO-Instituts kommen Unternehmen leichter an Kredite. Im Dezember 2022 berichteten 30% der in Kreditverhandlungen stehenden Firmen von Zurückhaltung der Banken, per März 2023 waren es 22,7%.

Ein Blick auf Kapitalmarktrenditen Deutschlands: Wo liegt ein mögliches Maximum?

In der nachfolgenden theoretischen Betrachtung wird nicht von der aktuellen Rendite der 10 jährigen Bundesanleihe ausgegangen (2,29%), sondern von 2,50%, da die jüngsten Ängste zu temporärer Volatilität führten. Auch die Spitzen im Renditenanstieg sind ausgeblendet (2,77%).

Zu Grunde gelegt sind zwei Szenarien:

• 1. Szenario: Veränderungen Leitzins zu Kapitalmarktzins (10 Jahre) vom 21.06.2022 (Beginn der Leitzinserhöhungen) bis heute.

• 2. Szenario: Veränderungen Leitzins zu Kapitalmarktzins (10 Jahre) vom 24.02.2022 (Beginn des militärischen Ukraine-Konflikts) bis heute.

      • 1. Szenario: Leitzins 0,00%, aktuell 3,50% - Kapitalmarktzins 1,20% versus 2,50% Traktion der Leitzinserhöhungen am Kapitalmarkt: Circa 37%
    • 2. Szenario (präferiert): Leitzins 0,00%, aktuell 3,50% - Kapitalmarktzins: 0,20% versus 2,50% Traktion der Leitzinserhöhungen am Kapitalmarkt. Circa 66%

Prognose auf voraussichtliche Spitzen bei einem Leitzinssatz von 4,50%:

• 1. Szenario: Kapitalmarktsatz bei circa 2,87%
• 2. Szenario: Kapitalmarktzinssatz bei circa 3,16%

Fazit: Der größte Teil der Anpassung am Kapitalmarkt liegt hinter uns. Als Renditemaximum definiert sich eine Bandbreite zwischen 2,87% - 3,16% für 10 jährige Bundesanleihen auf Basis anekdotischer Evidenz im Rahmen der Traktionsanalyse. Zukünftig mildere US-Zinspolitik oder Deeskalation im Ukraine-Konflikt können das Kapitalmarktszenario dämpfend beeinflussen.

Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Verbraucherpreise gehen stark zurück

Die Verbraucherpreise nahmen per März im Jahresvergleich um 6,9% (Prognose 7,1%) nach zuvor 8,5% zu. Die Kernrate markierte dagegen mit 5,7% im Jahresvergleich einen neuen historischen Rekord (Prognose 5,7%, Vormonat 5,6%).

Die Arbeitslosenrate stellte sich per Februar auf 6,6% (Prognose 6,7%) nach zuvor 6,6% (revidiert von 6,7%).

Deutschland: Die Importpreise sanken per Berichtsmonat Februar im Monatsvergleich um 2,4% (Prognose -1,0%) nach zuvor -1,2%. Im Jahresvergleich stellte sich ein Anstieg um 2,8% (Prognose 4,2%) nach zuvor 6,6% ein. Es war der geringste Anstieg im Jahresvergleich seit Februar 2021.

Deutschland: Die Einzelhandelsumsätze fielen per Februar im Monatsvergleich um 1,3% (Prognose +0,5%) nach zuvor +0,1% (revidiert von -0,3%). Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um 7,1% nach zuvor 6,9% (Daten sind preisbereinigt).

Deutschland: Die Arbeitslosenquote in der saisonal bereinigten Fassung stellte sich per März auf 5,6% (Prognose und vorläufiger Wert 5,5%).

UK: BIP per 4. Quartal 2022 etwas höher

Das BIP nahm per 4. Quartal 2022 um 0,1% im Quartalsvergleich zu (Prognose 0,0%). Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 0,6% (Prognose 0,4%).

USA: Verbraucherbvertrauen enttäuscht

Persönliche Einkommen legten per Februar im Monatsvergleich um 0,3% (Prognose 0,2%) nach zuvor 0,6% zu. Die persönlichen Konsumausgaben stiegen im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,3%) nach zuvor 2,0% zu (revidiert von 1,8%).

Der Einkaufsmanagerindex aus Chicago legte per März geringfügig von 43,6 auf 43,8 Punkte zu (Prognose 43,4).

Der Index des Verbrauchervertrauens der Universität Michigan stellte sich per März laut finaler Erfassung auf 62,0 Punkte (vorläufiger Wert 63,4, Prognose 63,2).

Japan: Dienstleister schlagen sich besser als Verarbeitendes Gewerbe

Tankan Indices per 1. Quartal 2023

• Große Produzenten: 1 (Prognose 3) nach zuvor 7 Punkten
• Kleine Produzenten: -6 (Prognose -6) nach zuvor -2 Punkten
• Große Dienstleister: 20 (Prognose 20) nach zuvor 19 Punkten
• Kleine Dienstleister: 8 (Prognose 7) nach zuvor 6 Punkten

Diverse PMIs des Verarbeitenden Gewerbes per März

• China (Caixin): 50,0 (Prognose 51,7) nach zuvor 51,6 Punkten
• Japan (Jibun): 49,2 nach zuvor 48,6 Punkten
• Südkorea: 47,6 nach zuvor 48,5 Punkten
• Indien: 56,4 (Prognose 55,0) nach zuvor 55,3 Punkten

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0500 – 1.0530 negiert dieses Szenario.

Viel Erfolg!

© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe

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