Mario Draghi befeuert und warnt die Märkte zeitgleich

 | 27.06.2014 15:50

Mario Draghi hat in einem Interview mit einer niederländischen Zeitung durchblicken lassen, dass die Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) aus heutiger Sicht noch für mindestens weitere zweieinhalb Jahre niedrig bleiben werden. Bis Ende 2016 erhalten die Banken demnach Zugang zu unbegrenzter Liquidität der EZB. Das Programm zur Stützung der Bankenkredite an Unternehmen soll sogar vier Jahre dauern.h3 EZB sieht konjunkturelle, preisliche und geopolitische Risiken/h3

Die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone sei derzeit „immer noch schwach und ungleichmäßig“, sagte Draghi in dem Interview. Als weitere Begründung fügte er hinzu: „Der Schuldenabbau, der in großen Teilen des Euroraums von großer Bedeutung ist, wird durch niedrige Inflation erschwert.“ Und: „In der Weltwirtschaft können unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die die Lage rasch ändern können.”

h3 Eine quantitative Lockerung wird immer wahrscheinlicher/h3

Sollte sich der Inflationsausblick weiter abschwächen, wäre die Umsetzung des in der vergangenen Pressekonferenz bereits angekündigten massenhaften Ankaufprogramms für Wertpapierkäufe möglich, sagte der Zentralbank-Präsident. Eine quantitative Lockerung müsse nicht zwingend nur Staatsanleihen, sondern könne auch Kredite des privaten Sektors umfassen.

Letzteres betonte Draghi vermutlich, weil ein breiter Ankauf von Staatsanleihen einerseits einer verbotenen Staatsfinanzierung gleichkäme und damit gegen geltendes Recht verstoßen könnte, und andererseits die Zinsen für die Krisenländer ohnehin schon sehr niedrig sind und daher die Wirkung zweifelhaft wäre (wir berichteten bereits ausführlich).

h3 Neuer Treibstoff für die Märkte/h3

Soweit so gut. Angesichts der potentiellen Gefahren für die Wirtschaft und die Preisstabilität betonte Draghi noch einmal, die stützenden Maßnahmen für einen langen Zeitraum aufrechtzuerhalten und weitere zu beschließen, wenn nötig. Dies war aus einem ersten Blickwinkel neuer Treibstoff für die eingeschlagenen Trends der diversen Märkte (Aktien, Devisen, Rohstoffe, Anleihen).

h3 In den Worten Draghis stecken auch warnende Töne/h3

Doch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet steckten in den Worten auch warnende Töne. So ist die Entwicklungen in Europa offensichtlich nicht zufriedenstellend und die Erholung der Wirtschaft scheint derzeit auf sehr wackligen Beinen zu stehen.

Und angesichts der geopolitischen Krisen in der Ukraine und dem Irak ist derzeit erhöhte Wachsamkeit angesagt. Dies entnehmen wir zumindest dem Satz „In der Weltwirtschaft können unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die die Lage rasch ändern können.”

h3 Die Kurse können sich nicht ewig von der Realwirtschaft abkoppeln/h3
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Vor diesem Hintergrund haben die Aktienmärkte, insbesondere der DAX, der Euro Stoxx 50 und die US-Indizes Dow Jones und S&P 500, Niveaus erreicht, bei denen eine deutliche Korrektur denkbar ist. Zwar kann die Fantasie weiterer geldpolitischer Lockerungen die Kurse noch weiter befeuern, sie können sich aber nicht ewig von der Entwicklung der Realwirtschaft abkoppeln, insbesondere dann nicht, wenn deren Erholungstendenzen durch geopolitische Ereignisse zu Fall gebracht werden.

h3 Dem Euro droht der nächste Kursrutsch/h3

Die EZB wird also den Leitzins bis Ende 2016 niedrig halten. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve wird nach Erwartung der Märkte dagegen schon im ersten Halbjahr 2015 beginnen, den Leitzins anzuheben. Für den EUR/USD-Wechselkurs dürfte dies bedeuten, dass der Euro Schwäche und der US-Dollar Stärke zeigen dürfte. Ein erneutes Erreichen der 1,40er Marke ist damit sehr unwahrscheinlich und Short-Positionen sind zu bevorzugen. Mal sehen, wie lange es dauert, bis hier der nächste Kursrutsch erfolgt.