Emre Şentürk | 25.04.2022 16:03
Man merkt es überall und ich möchte Ihnen auch keine weiteren nervraubenden Beispiele geben, aber die Verbraucherpreise steigen rapide an. Dies ist nicht nur hierzulande so, sondern auch in vielen anderen Ländern, wo aktuell Inflationslevel erreicht werden, die zuletzt vor Jahrzehnten Realität waren. Dadurch wird die Politik kritisiert, aber auch Zentralbanken kriegen immer mehr Unmut ab. Vorgehalten wird ihnen, dass die Zinsanpassungen nach oben nicht radikal genug sind. Einige Länder, wie zum Beispiel Japan oder Indien, beharren auf den Niedrigzins. Wenn wir in die Finanzwelt schauen, so macht sich vermehrt die Meinung breit, dass der inflationäre Druck die globalen Märkte belastet und die aktuellen Korrekturphasen dadurch bestärkt werden. Ist dem aber wirklich so?
Vorneweg möchte ich Ihnen sagen, dass ich Ihnen dazu keine definitive Antwort geben kann. Der Umfang dieser Fragestellung ist zu groß, um sie in ein paar hundert Worte zu verpacken. Wo auch immer Sie lesen, dass man die Antwort zu dieser Frage gefunden hat, wenn der Beitrag unter 100 Seiten lang ist, glauben Sie nicht dran. Hierzu braucht man riesige Datenmengen und verschiedenste Analysemodelle und Methoden. Was uns bleibt, sind hypothetische Ansätze, in die wir denken können. Angehen sollte man diese aber mit einem offenen Geist, um den Diskurs mit anderen Denkweisen zu ermöglichen. In diesem Beitrag gehe ich auf ein Argument ein, was andeutet, dass Inflation im Gegenteil sogar Wachstum an den Finanzmärkten bewirken könnte.
Nehmen wir mal ein Land mit einer sehr hohen Inflationsrate, die Türkei. In der Türkei lag die Inflation im März 2020 bei 11.86%, was schon sehr hoch, aber im Kontext der jahrelangen Wirtschaftskrise nicht gerade verwunderlich war. Gegen Ende 2020 stieg das Preislevel hier aber auf über 14% und setzte über das ganze Jahr 2021 seine Anstiege bis auf 19.89% bis letzten Oktober fort. Dann ging es rapide nach oben. Von Oktober bis März schoss die Inflation auf 61.14% und verschärfte die wirtschaftliche Lage im Land. Weder Gehälter und Löhne noch Sozialhilfen kommen hier nach, um die Bürger zu entlasten. Die erhöhte Kreditvergabe schädigt das Risikomanagement der Banken. Die Stimmung ist am Boden.
Aber was macht der Aktienmarkt? Seit dem 1. Oktober 2021 donnert der türkische Leitindex, BİST100, nur noch nach oben. Nach einem zwischenzeitlichen Hoch von 82.44% notiert der BİST100, welcher sich aus den 100 größten Unternehmen des Landes zusammensetzt, aktuell bei rund 77.73% über dem Level vom 1. Oktober 2021. Anders als die großen Finanzplätze, wie den New York, London, Frankfurt, Paris oder Amsterdam, ist der İstanbuler Handelsplatz nicht so zugänglich, was regulatorische, strategische, aber auch unternehmerische Gründe hat. Das bedeutet, dass die Entwicklung am türkischen Aktienmarkt relativ isoliert betrachtet werden kann. Sprich, in einem überwiegend nationalen Umfeld können die Anstiege also auf die innerwirtschaftliche Verhältnisse zurückgeführt werden.
Die markanteste Entwicklung ist dabei der Inflationsanstieg. Wenn Geld weniger Wert ist, steigt auch die Attraktivität von Aktienpreisen. Zudem suchen Bürger Schutz vor der Inflation. Während liegendes Geld ohnehin schon Wert verliert, kann es in Form von Wertanlagen vor weiteren Verlusten geschützt werden.
Wie oben besprochen, ist dies nur ein hypothetischer Ansatz und bedeutet nicht, dass die herausgefilterte Korrelation auch eine Kausalität darstellt. Dennoch steht dieses Beispiel im starken Kontrast zum allgemeinen Glauben, dass Inflation Wachstum verhindert. In jedem Fall eröffnet uns das Beispiel der Türkei eine Tür zu einer unglaublich spannenden Debatte, die geführt werden muss.
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