Inflation und Vermögensaufbau: Im Zweifel für die Aktie

 | 05.07.2022 10:42

Aktien sind auch nicht immun gegen eine ausufernde Inflation. Aber: Es gibt keine Alternative, die sich in Zeiten hoher Teuerungsraten besser präsentiert. Vor allem für langfristig orientierte Anleger sind Aktien auch in Krisenzeiten das geeignetste Mittel zum Vermögensaufbau.

Aktuelle Markteinschätzung von Lars Reiner, Gründer und Geschäftsführer von Ginmon

Lockdowns in China, Krieg in der Ukraine, galoppierende Teuerungsraten in Deutschland, der Eurozone und in den USA, Lieferkettenprobleme, steigende Kosten für Öl und Gas sowie immer höhere Verbraucherpreise – die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Realität gleicht dieser Tage einer Liste des Schreckens. Diese Gemengelage verunsichert auch die Börsen. Die Leitindizes weltweit wanken. Doch trotz dieses herausfordernden Umfelds, für Aktionäre könnte es sich lohnen, einem Ausspruch von Winston Churchill zu folgen: „Never waste a good crisis!“

h2 Leitindizes unter Druck/h2

Zugegeben: Zwar könnten einige der Konjunkturdaten für den einen oder anderen Anleger derzeit eher gegen den Silberstreifen am Börsenhorizont sprechen. Doch bei genauer Betrachtung wird klar, dass der Aktienmarkt auch im aktuellen Umfeld Chancen bietet. Der Reihe nach. Die Bundesregierung mahnt die Bürger an, sich auf härtere Zeiten einzustellen, die Weltbank hat die globale Wachstumsprognose von 4,1 auf 2,9 Prozent gesenkt und warnt vor einer Stagflation – einem schwachen Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig hoher Inflation, sinkender Unternehmensgewinne und steigender Arbeitslosigkeit. Die Inflationsrate liegt in Deutschland bei 7,6 Prozent, während sie in den USA im Mai auf 8,6 Prozent gestiegen ist – dem höchsten Stand seit rund 40 Jahren. Und während in den USA die Notenbank Federal Reserve (FED) bereits die Zinsschraube angezogen hat und noch weiter anziehen wird, agiert die Europäische Zentralbank (EZB) zurückhaltend und möchte den Leitzins erst im Juli auf voraussichtlich 0,25 Prozent anheben. Dabei ist das zögerliche Vorgehen der EZB nachvollziehbar: Einerseits fürchtet sie, die nach Corona in Gang gekommene Wirtschaft abzuwürgen. Andererseits sind es auch innereuropäische Sorgen, denn für den hochverschuldete Süden Europas wird die Bedienung seiner Schulden bei einer Anhebung der Leitzinsen schwieriger zu stemmen sein. Das alles wirkt sich auch auf die Aktienmärkte aus: Der DAX ist seit Jahresbeginn um mehr als 18 Prozent gefallen, der Dow Jones um 16 Prozent, die Technologiebörse Nasdaq gab im bisherigen Jahresverlauf gar um 29 Prozent nach.

h2 Börsenhistorie macht Mut/h2
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Die aktuelle Krise ist nicht die erste – und sie wird auch nicht die letzte sein. Die Große Depression in den 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, zwei Weltkriege, Vietnam, Korea, die große Inflation in den 1970er-Jahren, die Asienkrise 1997/1998, das Platzen der Dotcom-Blase, die Eurokrise, die Finanzkrise im Jahre 2008 oder der Crash im Zuge der Coronakrise: Die Liste der Krisen ist lang, aber die Börsen erholten sich stets wieder und erklommen neue Höhen. Das belegen auch die Zahlen. So hat etwa der DAX nach dem coronabedingten Einbruch im März 2020 schon nach rund acht Monaten das Niveau von vor dem Crash erreicht. Länger dauerte hingegen die Erholung in der Finanzkrise 2007/08. Damals benötigte der DAX – ausgehend vom Stand Januar 2008 – rund drei Jahre, bis er diesen Stand zurückerobern konnte. Und: Seither kommt der DAX – trotz der jüngsten Korrektur – auf einen weiteren Anstieg von rund 5.000 Zählern oder gut 60 Prozent.

h2 Auf lange Sicht kommt der Aktienmarkt gut mit einer hohen Inflation zurecht/h2

Diese langfristige Entwicklung ist trotz zwischenzeitlicher Rückschläge und Korrekturen der Silberstreif am Horizont, der Anlegern Hoffnung machen könnte und den Satz von Winston Churchill bestätigt. Rückschläge sind an der Börse normal und die vergangenen mehr als zehn Jahre waren – trotz kurzfristiger Korrekturen wie etwa der Corona-Einbruch – in ihrem Kurswachstum eher außergewöhnlich. Grundsätzlich ist vor diesem Hintergrund der Anlagehorizont für den Vermögensaufbau mit Aktien entscheidend. Langfristig orientierte Anleger dürften am Ende immer zu den Gewinnern zählen.

Das gilt auch für Phasen, in denen die Inflation ein hohes Niveau aufweist. Zur Wahrheit gehört zwar auch, dass der Aktienmarkt nicht immun gegen eine hohe Teuerungsrate ist – so büßte etwa der Dow Jones 1981 (damals stiegen die Preise im Schnitt um gut 10 Prozent) rund 10 Prozent an Wert ein. Auf längere Sicht kommt der Aktienmarkt aber auch mit einer höheren Inflation recht gut zurecht, wie folgende Tabellen zeigt. So legte der Dow Jones beispielsweise von Anfang 1980 bis Ende 1989 im Schnitt jährlich um knapp 10 Prozent zu – in einem Jahrzehnt, in dem die durchschnittliche Inflation bei gut 5,8 Prozent lag.