Stockstreet GmbH | 03.07.2021 08:04
Das wichtigste Ereignis der Woche waren für die Börsen die gestern veröffentlichten US-Arbeitsmarktdaten für den Monat Juni. Denn diese geben Hinweise auf die weitere Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Und die Börsen sind derzeit extrem abhängig von den Entscheidungen der Währungshüter.
Die Fed verfolgt mit ihrer Geldpolitik zwei Ziele: stabile Preise und Vollbeschäftigung. Das erste Ziel, welches bei einer jährlichen Inflation von ca. 2 % als erfüllt gilt, wurde längst erreicht. Denn nachdem die Inflation in den USA infolge der Corona-Krise einige Zeit unterhalb der Zielmarke lag, ist die Teuerung inzwischen deutlich darüber hinaus gestiegen. Bleibt also noch das zweite Ziel der Vollbeschäftigung. Und hier kommt die US-Notenbank deutlich langsamer voran.
h2 US-Arbeitsmarktbericht: Gut, aber nicht gut genug/h2Schaut man auf die Arbeitslosenquote, dann hat es im Juni sogar einen Rückschritt gegeben. Denn gab die Quote im Mai noch auf 5,8 % nach, von 6,1 % im April, so ist sie im Juni auf 5,9 % leicht angestiegen. Die Erwartungen lagen im Durchschnitt bei 5,6 %.
Für die Aktienmärkte ist dies eine durchaus erfreuliche Entwicklung, bedeutet dieser kleine Rückschritt doch eine anhaltende Liquiditätsflut, weil die Fed die Geldschleusen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nun wohl länger offenhalten wird. Schließlich lag die Arbeitslosenquote vor der Pandemie bei nur 3,5 %. Um dieses Niveau zu erreichen ist aus Sicht der Notenbank also noch eine Weile Stimulus notwendig. Dementsprechend machten die Aktienindizes mit Bekanntgabe der Daten gestern auch einen kleinen Satz nach oben.
Zumal auch von Seiten einer möglichen Lohn-Preis-Spirale, die zu einer noch höheren Inflation führen und dadurch ein Eingreifen der Notenbank nötig machen könnte, den Börsen keine Gefahr droht. Denn die durchschnittlichen Stundenlöhne sind im Juni "nur" um +0,3 % zum Vormonat gestiegen. Erwartet wurden +0,4 %, nach +0,5 % im Vormonat.
Ebenso hinnehmbar war für die Anleger die Zahl der neugeschaffenen Stellen (außerhalb der Landwirtschaft). Diese fiel zwar mit 850.000 höher aus als erwartet (im Durchschnitt 720.000), aber nicht so hoch, dass ein Eingreifen der Fed wahrscheinlich wird.
Denn es sind damit noch 6,8 Millionen Menschen mehr arbeitslos als vor der Pandemie. Setzt sich der Stellenaufbau im aktuellen Niveau fort, dann dauert es noch 8 Monate, bis das Vor-Krisen-Niveau erreicht ist.
h2 Stellenaufbau dürfte sich im Juli weiter beschleunigen/h2Allerdings könnte es sehr gut sein, dass sich der Stellenaufbau im Juli noch einmal beschleunigt. Denn im Juni wurden weitere Corona-Restriktionen zurückgenommen, wodurch zum Beispiel für viele Eltern nicht mehr die Notwendigkeit besteht, sich zu Hause um ihre Kinder zu kümmern. Und im Juni sind in vielen Bundesstaaten der USA die zusätzlichen Arbeitslosenhilfen ausgelaufen. Gut ein Viertel der Arbeitslosen erhielten durch diese zusätzlichen Arbeitslosenhilfen mehr Geld als in ihrem vorherigen Job. Doch diese Zeiten sind nun vorbei. Und daher dürften viele Arbeitslose inzwischen ein wesentlich größeres Interesse daran haben, wieder einen Job zu suchen und zu finden. Womöglich erklärt dies auch den leichten Anstieg der Arbeitslosenquote, weil sich mehr Menschen arbeitslos bzw. arbeitssuchend gemeldet haben.
Nun bin ich kein Experte in Sachen US-amerikanischer Arbeitslosenstatistik. Aber ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass der Arbeitsbeginn bei neuen Veträgen auch in den USA häufig auf den 1. eines Monats gelegt wird. Und wenn im Juni bereits viele Arbeitslose einen Job gefunden haben, diesen aber erst am 1. Juli antreten, dann werden sie womöglich auch erst im Juli aus der Arbeitslosenstatistik herausfallen. Dementsprechend könnte die Arbeitslosenquote im Juli wieder sinken und der Anstieg der neuen Stellen auf 850.000 im Juni nur ein laues Lüftchen im Vergleich zu den anstehenden Juli-Daten gewesen sein.
h2 Notenbank kann die kommenden Daten abwarten/h2Die US-Notenbank wird aber sicherlich die Juli- und wahrscheinlich auch noch die August-Daten abwarten, bis sie an den geldpolitischen Stellschrauben dreht, insbesondere wenn die Inflationsdaten bis dahin nicht durch die Decke gehen. Insofern könnten die Aktienmärkte ihre Trends ungestört fortsetzen.
h2 Auch ein Bear-Keil konnte den Nasdaq 100 nicht stoppen/h2Von der Aussicht auf anhaltend niedrige Zinsen durch eine unverändert expansive Geldpolitik konnten jüngst wieder am meisten die Technologieaktien profitieren. Dem Nasdaq 100 ist es dadurch sogar gelungen, seine vermeintliche Keil-Formation (siehe dicke Linien im folgenden Chart) nach oben zu verlassen, so dass diese ihre mögliche bearishe Wirkung nicht entfalten konnte (roter Pfeil, siehe auch „Bear-Keil im Nasdaq 100“).
In der Börse-Intern vom 16. Juni war dazu allerdings zu lesen, „dass ein Bear-Keil erst komplettiert wird, wenn die untere Aufwärtslinie gebrochen wird“. Zwar traf der Index mit der oberen Linie der Keil-Formation (dick rot) wie befürchtet auf Widerstand und es kam ab Mitte Juni zu Rücksetzern, diese fielen aber moderat aus und der Index konnte sich in der Nähe der Hürde halten. Dadurch blieben bearishe Signale aus. Stattdessen holten die Bullen offenbar lediglich Kraft für den bullishen Ausbruch über die Widerstandslinie, der am Donnerstag vergangener Woche nachhaltig gelang.
h2 Wenn es zu einem Fehlausbruch kommt/h2Man sollte allerdings eine mögliche Gefahr, die sich aus der Keil-Formation ergeben könnte, nun noch nicht vollständig ausschließen. Denn wenn der Nasdaq 100 unter die Widerstandslinie zurückfällt, könnte man damit von einem Fehlausbruch sprechen. Und wie jüngst hier in der Börse-Intern zu lesen war, kommt es im Anschluss an solche Fehlsignale oft zu einer stärkeren Kursbewegung in die entgegengesetzte Richtung.
Sollte es im Nasdaq 100 dazu kommen und wird dabei die untere Linie der Keil-Formation gebrochen, muss man doch noch mit einer größeren Korrektur rechnen. Bestätigt wird dies, wenn das Tief vom 19. Mai bei 12.994 Punkten unterschritten wird. Denn dann ist auch noch die Folge höherer Tiefs beendet.
Eigentlich ist die Situation im Nasdaq 100 erst in diesem Fall klar bearish. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass der Index bis dahin schon mehr als 11 % verloren hätte. Ich würde daher nicht so lange warten, um aus Long-Positionen auszusteigen. Stattdessen würde ich wohl schon spätestens reagieren, wenn der Nasdaq 100 unter das Hoch vom 16. Februar (Welle 1) bei 13.879,775 Punkten zurückfällt. Und nach einer 11-prozentigen Korrektur des Nasdaq 100 könnte man eher schon wieder beginnen, erste günstig bewertete Aktien zu deutlich ermäßigten Kursen (zurück) ins Depot zu holen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
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