Halver - Es wird eben nicht alles gut!

 | 12.05.2015 15:08

Gefühlte 1.000 Mal haben bislang die Gläubiger über Griechenlands Schuldenprobleme verhandelt. Seit Beginn der griechischen Tragödie im März 2010 - gut zu merken, weil der isländische Vulkan Eyjafjallajökull gleichzeitig ausbrach - kreiste der Euro-Berg unzählige Male und gebar dennoch nicht einmal ein Mäuschen. Das Euro-politische Krisenmanagement handelt nicht professionell, sondern fahrlässig. Kämen deutsche Kreditinstitute all ihren säumigen privaten Kreditkunden so entgegen wie die EU-Kommission Griechenland, hätten sie längst den Löffel abgegeben. Vernünftigerweise gilt hier aber: Wenn die Schuldner nicht zahlen und keine Anstalten machen, etwas an ihrem Geschäftsmodell zur Verbesserung ihrer Finanzlage zu tun und sich obendrein auch noch aufführen wie die Axt im Walde, wird die Geschäftsbeziehung beendet.

Bei staatlichen Kreditnehmern ist das grundsätzlich anders: Ein Staat kann sich am eigenen Schopf aus der Krise ziehen. Er macht einfach neue Schulden. Dies scheint mir auch der Grund zu sein, warum in der modernen - amerikanischen - Portfoliotheorie behauptet wird, dass Staatsanleihen risikolos sind, weil die Staaten eben nicht Pleite gehen können. In der Tat sind die USA noch nie seit ihrer Gründung 1776 Pleite gegangen.

Doch jetzt steht Griechenland auf der Pleitenklippe. Als Mitglied einer Währungsunion, die zumindest noch über ein paar kleine Reste an Stabilitätskriterien verfügt, ist die fröhliche Schuldenmacherei begrenzt. Ist der Staat Griechenland damit zu einem normalen privaten Kreditkunden geworden? Bekommt er jetzt die Konsequenzen einer fatalen Regierung zu spüren, die im Wahlkampf versprochen hat, dass sich der griechische Grillspieß auch ohne klare Wirtschaftsreformen weiter drehen wird? Eine schlechte Konjunkturstimmung und ein mieses Wirtschaftswachstum zeugen jedoch leider vom Gegenteil.

Unter normalen Umständen wären die Konsequenzen völlig klar: Wer den Reformweg verlässt, geht Pleite und verlässt die Eurozone wegen Nichteinhaltung der Euro-Spielregeln.

In der Euro-Politik hat der gesunde Wirtschaftsverstand nichts zu suchen

Doch es passiert: Nichts! Unsere Euro-Politiker verdrängen diese wirtschaftliche Vernunft, wo immer es geht. Offiziell drohen sie zwar mit Konsequenzen, wenn die griechische Reformliste - die es aber offenbar so wenig gibt wie das Bernsteinzimmer - nicht vorgelegt wird. Aber hinter vorgehaltener Hand will sich niemand bei einer hellenischen Pleite die peinliche Blöße geben und zugeben, dass dann die Aushebelung der Euro-Stabilitätskriterien und all die teuren Hilfsmaßnahmen für Griechenland seit fünf Jahren in Höhe von 240 Mrd. Euro für die Katz gewesen sind.

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Allein ca. 80 Mrd. Euro deutschen Steuerzahlergelds wäre in der Ägäis untergegangen. Diese Funktion als Euro-politisches Fähnchen im griechischen Wind wird auch noch mit dem fadenscheinigen Argument europäischer Solidarität mit einem armen Land geheilt. Teilweise dieselben Politiker, die damals mit Hartz IV das Prinzip „Vogel friss oder stirb“ propagiert haben, stellen sich heute in punkto Griechenland als perfekte Gutmenschen dar. Und ist es nicht süß, wenn die EU-Kommission mitteilt, dass das Verhandlungsklima mit griechischen Politikern besser geworden ist oder die Griechen guten Willen am Verhandlungstisch zeigen?

Geopolit-Räson schlägt Wirtschaftsvernunft

Ihre Ignoranz gegenüber finanzpolitischer Rationalität rechtfertigen Euro-Politiker noch durch zwei weitere geopolitische bzw. geostrategische Argumente. Der Grexit wäre doch Wasser auf die Mühlen derjenigen, die immer schon meinten, dass die geeinte Eurozone als schöne Vision beginnt und als traurige Illusion endet noch bevor sie volljährig wird. Stimmungsverschlechterungen an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft könnten ja auch noch dazukommen. Überhaupt, wenn das mal keine Steilvorlage für das Referendum der Briten in punkto Brexit - Brüssel sag uns, was wir bekommen und dann sagen wir dir, ob wir bleiben - aus der EU ist. Große Wirtschaftsregionen wie USA oder China - so die Politikerangst - würden Europa doch gar nicht mehr ernst nehmen.

Und da haben wir auch noch Väterchen Frost im Mütterchen Russland: Die von der Eurozone verschmähte griechische Braut sucht sich Liebesersatz bei Putin. Der jedoch, da er mehr auf Vernunftehen steht, fordert als Mitgift u.a., dass russische Kriegsschiffe an den Häfen des Nato-Landes Griechenland anlegen dürfen. Für viele ein unsägliches Fremdgehen!

Vor diesem geopolitischen Hintergrund will die EU-Kommission einen Deal mit Griechenland um jeden Preis, notfalls in Form eines stinkendfaulen Kompromisses ohne klare Reformen im Arbeitsmarkt und bei Renten. Das Ende des Lieds wird sein, dass es neues Geld für nichts gibt, wie beim Hit der Dire Straits „Money for nothing“. Das Rettungsprogramm geht weiter, Griechenland ist „gerettet“ und Europa hat einen großen Sieg errungen. Und sicherlich werden die Renten- und Aktienmärkte bei einem Verbleib der Griechen in der Eurozone zunächst erleichtert sein. Euroland, Du hast es wieder mal geschafft: Am Ende ist doch wieder alles gut.

Am Ende wird eben nicht alles gut!

Aber soll das wirklich ein Sieg sein? Irrtum, kein Sieg, nur ein Pyrrhus-Sieg. Es entsteht ein irreparabler Vertrauensschaden. Denn die anderen Euro-Länder werden an der Euro-Bar das gleiche bestellen wie Griechenland: Den reformarmen Cocktail mit viel neuem Schulden-Alkohol und die umgekehrte Bezahlung durch die Kellner der EZB. Mit diesem Rausch, dieser Happy Hour werden wir jedoch nicht den finalen Sieg davon tragen. Denn wenn wieder alle nüchtern sind, wird man verdutzt feststellen, dass die Eurozone - weil zu wenig in ihr investiert wird - erst wirtschafts- und sozialpolitisch und schließlich politisch zerfällt. Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben. Und das soll den Finanzmärkten längerfristig gut tun?

In punkto Griechenland tut Scheiden anfänglich sicher weh, aber am Ende werden auch die Griechen, befreit vom Euro-Korsett sagen: Hätten wir uns doch bloß schon früher getrennt. Dann ist selbst der Schulden-Haircut für Griechenland gut angelegtes Geld, der früher oder später übrigens auch im Status Quo nicht zu verhindern ist. Die Oasen der wirtschaftlichen Vernunft - die Anleihen und Aktien der Eurozone - würden es honorieren.

Liebe Politikerinnen und Politiker, der Weg des geringsten Widerstands ist nicht immer der beste Weg, vor allem dann nicht, wenn es um eine große Idee, die Europäische Idee, geht. Also ran an die Buletten!

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