Griechenland-Rettung – Und schon wurden erste Reformen verschoben

 | 29.07.2015 11:45

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hat das griechische Parlament das zweite Reformpaket (wir berichteten vor einer Woche im Geldanlage-Brief) pünktlich beschlossen, das die anderen Euro-Staaten zur Vorbedingung für Verhandlungen über ein Kreditprogramm gemacht hatten. Dieses Mal ging es um umfangreiche Modernisierungen des Justizwesens (Code of Civil Procedure) und die Überführung einer EU-Bankenrichtlinie (BRRD) in griechisches Recht, die in anderen europäischen Ländern längst gilt.

EU-Bankenrichtlinie – Eine Folge der Lehman Brothers-Pleite

Die EU-Bankenrichtlinie ist eine Folge der mit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im Jahr eskalierten Finanzkrise und legt die geregelte Abwicklungen von Banken fest. Der Staat und damit die Steuerzahler sollen nicht mehr als erste Retter herangezogen werden. Stattdessen sollen zunächst die Aktionäre und Gläubiger der Banken auf ihre Ansprüche verzichten. Einlagen sollen lediglich bis zu einer Höhe von 100.000 Euro sicher sein. Wer mehr auf dem Konto hat, könnte künftig herangezogen werden, wenn seine Bank in Schieflage gerät.

Statt der Steuerzahler haften nun die Eigentümer und Gläubiger

Die Übernahme dieser Direktive ist wichtig, weil die vier großen Geldhäuser des Landes mit bis zu 25 Milliarden Euro aufgepäppelt werden müssen. Daher handelt es sich bei dieser Forderung der Gläubiger um einen cleveren Schachzug. Wenn die Banken Pleite gehen und Griechenland haften müsste, würden sich die Staatsschulden erhöhen. Genau dies sollen die neuen Reformen aber verhindern. Mit Umsetzung der Bankenrichtlinie haften stattdessen die Gläubiger (zu denen aktuell allerdings auch die EZB gehört).

Verkürzung der Prozessdauer

Die Änderungen im Justizwesen sollen die Dauer von Gerichtsverfahren erheblich verkürzen. Prozesse haben in der Vergangenheit in Griechenland drei bis vier Jahre länger gedauert als etwa in Deutschland oder Frankreich.

Ex-Finanzminister Varoufakis stimmte dieses Mal mit Ja

Wie jemand gegen diese Reformen stimmen kann, ist mir völlig schleierhaft (aber vielleicht fehlen mir dazu wichtige Informationen), doch von 300 Abgeordneten stimmten „nur“ 230 dafür. 63 Parlamentarier waren dagegen, 2 Abgeordnete glänzten durch Abwesenheit und 5 enthielten sich der Stimmabgabe.

Der Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis stimmte übrigens dieses Mal mit Ja – um die Einheit der Syriza nicht zu gefährden, wie er sagte. Was es mit diesem merkwürdigen Verhalten auf sich hat, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Es passt aber zum bisherigen Eindruck seiner Leistung.

Und schon verschiebt die Regierung in Athen erste Reformen

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Allerdings wurden nicht alle geforderten Maßnahmen umgesetzt. Die Regierung in Athen hatte sich zuvor mit der EZB, dem IWF und der EU-Kommission darauf geeinigt, die Abstimmung über die Abschaffung der Frühverrentung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Zudem sollten laut einem Bericht des Nachrichtensenders n-tv die Abgeordneten auch fast alle Steuervergünstigungen für Landwirte abschaffen. – Landwirte zahlen seit Jahrzehnten einen reduzierten Einkommenssteuersatz von 13%, während andere Selbstständige bis zu einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro 26% Steuerlast tragen. Um die Steuernachlässe zu erhalten, bezeichnen sich viele auf dem Land lebende Griechen als Bauern, obwohl sie keine sind. Daher sollte die Steuervergünstigung abgeschafft werden. – Doch auch hier machte die Regierung in Athen vorerst einen Rückzieher.

Risiken für die Finanzmärkte

Auch hierin liegt ein Risiko für die Finanzmärkte. Die vereinbarten Reformen wurden wahrscheinlich deshalb verschoben, weil Tsipras dafür wohl keine Mehrheit im Parlament bekommen hätte. Sollte dies auch in Zukunft so sein, dann dürften die Reformen an der griechischen Regierung scheitern. Das Rettungspaket steht damit auf der Kippe. Entsprechend drohen in der Zukunft wieder Kursverluste.

Die 1.150 Punkte im DAX, die als Erleichterungsrallye wegen der vermeintlichen Rettung Griechenlands hinzugewonnen wurden, dürften dann mindestens wieder verkauft werden. Die Verluste dürften aber bei einem Scheitern des Rettungsplans darüber hinausgehen.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Geldanlage
Sven Weisenhaus

(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 26.07.2015)
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