FXCM Deutschland | 04.04.2013 14:32
Es war ein Paukenschlag, der da heute aus Tokio zu vernehmen war und ein kleines Erdbeben an den Finanzmärkten auslöste. Der Yen verlor kurz nach der Verkündigung der Maßnahmen zur zukünftigen japanischen Geldpolitik ganze 250 Pips, nun müssen für einen Dollar wieder mehr als 95 Yen gezahlt werden. Im Gegenzug beendete der Nikkei die heutige Handelssitzung mit einem Plus von fast 300 Punkten oder 2,2 Prozent. „Neue Besen kehren gut!“ Im Falle des neuen Mannes an der Spitze der Bank of Japan, Haruhiko Kuroda kann man festhalten, dass er zumindest den festen Willen hat, besser als alle seine Vorgänger „zu kehren“ und diesen Willen heute nicht nur bekräftigt sondern auch in die Tat umgesetzt hat.
Ich ging zwar in meinem Kommentar am Dienstag davon aus, dass Kuroda die Märkte nicht enttäuschen und gleich bei seiner ersten Sitzung eine Duftmarke setzen würde. Aber die Entschlossenheit und damit auch Aggressivität, mit der die japanische Notenbank nun in den Kampf gegen die jahrelange Deflation zieht, stellt alles bisher Gesehene in den Schatten und wird damit zum größten geldpolitischen Experiment aller Zeiten. Jährlich will die Bank of Japan ab sofort Staatsanleihen im Wert von 50 Billionen Yen (rund 410 Milliarden Euro) kaufen, die Geldmenge an umlaufenden Yen soll damit jährlich um 60 bis 70 Billionen Yen (rund 580 Milliarden Euro) ausgeweitet werden. Damit verdoppelt sich die Geldbasis von aktuell 138 Billionen Yen bis zum Ende 2014 auf dann 270 Billionen Yen.
Zwar hat die Notenbank auch schon in den vergangenen Jahren eine expansive Geldpolitik betrieben. Sie hatte sich dabei unter Kurodas Vorgänger allerdings selber zahlreiche Beschränkungen, wie das Maximum der Operationen in Höhe der bereits im Umlauf befindlichen Banknoten und Münzen und die Laufzeitbegrenzung der zu kaufenden Anleihen, auferlegt, die nun komplett über den Haufen geworfen wurden. Ein Experiment stellt dieser Schritt deshalb dar, weil man die Folgen dieser Politik zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch nicht abschätzen kann. Vom langfristigen Erfolg und einer Rückkehr Japans zu alter Stärke bis hin zum Bankrott der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt ist alles möglich.
Geht alles gut und gelingt es dem japanischen Hoffnungsduo aus Ministerpräsident Abe und eben jenem Kuroda, der jetzt geldpolitisch alles richten soll, den seit fast zwei Jahrzehnten anhaltenden Verfall der Preise umzukehren und dafür zu sorgen, dass neben den Preisen auch die Unternehmensgewinne und damit die Löhne steigen, könnten sie in ein paar Jahren als Helden gefeiert werden, die endlich das geschafft haben, woran alle ihre Vorgänger gescheitert waren. In diesem Szenario würde das Programm aus Steuersenkungen, staatlich finanzierten Konjunkturprogrammen und vielleicht sogar zaghaft angepackten Strukturreformen mit einer durch den schwächeren Yen anspringenden Exportindustrie zu wieder steigenden Wachstumsraten führen. Dann würde selbst der Schuldenberg, der inzwischen auf fast 240 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angewachsen ist, langfristig durch die Kombination aus steigendem Wirtschaftswachstum und anziehender Inflation abgebaut werden. Die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario liegt in meinen Augen allerdings bei weniger als 20 Prozent.
Japans Schuldenproblem wird durch die lockere Geldpolitik größer
Viel wahrscheinlicher ist dagegen folgendes Szenario: Abe und Kuroda pumpen zwar das Geld in die Märkte, es kommt aber wie so oft nicht in der Wirtschaft an. Es gelingt ihnen nicht, den Verbrauchern klar zu machen, ihren Sparzwang aufzuheben und jetzt lieber zu konsumieren, da die Preise in Zukunft steigen werden. Denn erstens werden die japanischen Verbraucher immer und sehr viel schneller älter als zum Beispiel in den USA und Europa, dadurch sinkt ihre Nachfrage in vielen Bereichen. Zweitens könnte eine Inflation die Preise für Rohstoffe über höhere Importkosten nach oben treiben und damit zum Beispiel den Strom für die Verbraucher verteuern.
Steigen dann noch die Löhne nicht im selben Tempo wie die Preise, weil die Unternehmensgewinne nicht mitziehen, wird auch das die Japaner vom Konsumieren abhalten. So könnte es also passieren, dass die Bank of Japan zwar ihr Inflationsziel erreicht, aber das Wirtschaftswachstum am Ende ausbleibt. Und da kommt dann ganz schnell wieder das Schuldenproblem ins Spiel. Denn Japan hat in den vergangenen Jahren trotz der sehr niedrigen Zinsen so viele Abnehmer für ihre Staatsanleihen gefunden, weil die Investoren das Deflationsszenario gespielt haben. Denn, um ein Zitat des Börsen-Altmeisters Kostolany umzudrehen, die Deflation ist die Hölle der Schuldner und das Paradies der Gläubiger.
Die Verbindlichkeiten bleiben zwar nominal die Gleichen, aber da das Geld entwertet wird, sinken die real zu zahlenden Zinsen der Gläubiger. Kommt nun die Inflation nach Japan zurück, kehrt sich dieser Effekt freilich um und die Gläubiger verlieren ihren sicher geglaubten Hafen. Steigen nämlich aufgrund der Inflationserwartungen die Zinsen für die Staatsanleihen schneller als von Abe erwartet und können diese nicht durch steigende Steuereinnahmen kompensiert werden, weil die Wirtschaft nicht so schnell ins Laufen kommt, dreht sich eine gefährliche Spirale immer weiter.
Auch die Ratingagenturen werden sich dieses Schauspiel dann nicht länger anschauen und japanische Staatsanleihen ins Visier nehmen. Diese würden nach einer Herabstufung an Wert verlieren, Neuemissionen könnten nur noch zu höheren Zinsen platziert werden. Die alternde Bevölkerung Japans, die mit Abstand der größte Gläubiger ihres eigenen Landes ist, verliert plötzlich Geld. Sie wird nicht bereit sein, weiteres Geld in die Bonds zu pumpen, aber auch die Ausländer werden Japan gegenüber immer misstrauischer und fordern höhere Risikoprämien. Nun wird die hohe Staatsverschuldung zu einem echten Problem. Da hilft aus Abes Sicht, sollte er dann noch immer im Amt sein, nur eines: eine noch höhere Inflation durch eine immer schneller rotierende Notenpresse, die dann Kuroda wieder bedienen muss. Ein für mich langfristig sehr wahrscheinliches Szenario.
Talfahrt der japanischen Währung hat erst begonnen
Das heißt aber auch für die japanische Währung, dass wir erst am Anfang einer langen Abwertungsphase stehen. Denn solange sich die Akteure in Szenario Eins wähnen und merken, dass sie mit jeder Billionen Yen mehr Liquidität den Yen mehr und mehr beeinflussen können und damit weiter steigende Preise und Wirtschaftswachstum erreichen, werden sie Gefallen an dieser Strategie finden. Investmentbanken wie Barclays und Goldman Sachs gehen davon aus, dass der Kurs des US-Dollar auf rund 120 USD/JPY anziehen muss, um das Inflationsziel von zwei Prozent in zwei Jahren zu erreichen.
Wird in ein paar Jahren dann aber klar, dass man mehr und mehr in Szenario Zwei reinrutscht, könnte das die Talfahrt des Yen noch weiter beschleunigen. Der heutige Tag bekräftigt mich in meiner Einschätzung, dass wir noch lange nicht das Ende im Abwärtstrend der japanischen Währung gesehen haben. Im Gegenteil, wer noch nicht dabei ist, sollte sich spätestens jetzt Gedanken über ein mögliches Engagement machen.
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