Stockstreet GmbH | 07.12.2023 09:51
Aus konjunktureller Sicht mussten die Börsen gestern wieder schlechte Nachrichten verkraften. Denn erstens hat das verarbeitende Gewerbe in Deutschland im Oktober einen unerwarteten Einbruch beim Auftragseingang erlitten. Das Neugeschäft schrumpfte um 3,7 % im Vergleich zum Vormonat. Ökonomen hatten dagegen mit einem Wachstum von 0,2 % gerechnet.
Im weniger volatilen Dreimonatsvergleich lag der Auftragseingang von August bis Oktober 2023 sogar um 4,6 % niedriger als in den drei Monaten zuvor.
Die zurückhaltende Nachfrage wirkt sich auch negativ auf den Umsatz aus. Er fiel im Oktober um 0,5 % niedriger aus als im Vormonat, nachdem es bereits im September einen Rückgang von 1,4 % gegeben hat.
Zweitens kommen auch die Umsätze der Einzelhändler in der Euro-Zone nicht in Schwung. Deren Erlöse legten im Oktober nur um 0,1 % zu, nach einem Rückgang im September um ebenfalls 0,1 %. Im Vergleich zum Vorjahr liegt das Minus sogar bei 1,2 %.
Und drittens wurden in den USA laut dem ADP-Bericht weniger neue Arbeitsplätze geschaffen als im Vormonat und von Analysten erwartet. Konkret waren es im November 103.000 neue Stellen, nach 106.000 im Oktober und statt prognostizierter 130.000.
h2 Die Daten bestätigen bisherige Erkenntnisse/h2Anhand der Daten bestätigt sich, was man durch andere Informationen bereits wusste: Die Wirtschaft in Deutschland ist schwach ins Schlussquartal 2023 gestartet, die Konjunktur der Eurozone stagniert und die US-Wirtschaft schwächt sich langsam ab. Natürlich wären stark steigende Aktienkurse vor diesem Hintergrund eigentlich nicht zu erwarten. Aber die Aktienmärkte kümmert das nicht. Sie konnten auch gestern wieder zulegen.
h2 Zinsspekulationen: Was der Markt derzeit einpreist/h2Getrieben ist die Rally dabei weiterhin von Spekulationen auf Zinssenkungen. Am Markt wird inzwischen mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 90 % damit gerechnet, dass die US-Notenbank im Mai mindestens schon einen Zinsschritt nach unten gehen wird.
Und einen ersten Schritt schon im März erwarten mehr als 50 % der Anleger.
Das hat die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen inzwischen deutlich unter das Hoch vom Oktober 2022 zurückgedrückt. Und sie hat damit nun schon fast die Hälfte der letzten Aufwärtsbewegung korrigiert.
Das entspricht einem Renditerückgang um mehr als 75 Basispunkte. Und somit hat der Markt quasi schon 3 Leitzinssenkungen um je 25 Basispunkte eingepreist. Dementsprechend lockerer sind nun die Finanzkonditionen. Und es wird daher sehr spannend, wie die US-Notenbank darauf reagieren wird, die für das kommende Jahr eigentlich nur 2 Zinssenkungen um je 25 Basispunkte vorgesehen hatte.
h2 Geht der Bund-Future noch in eine Seitwärtstendenz über?/h2Sinkende Renditen bedeuten steigende Anleihekurse, und das nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande. Der Bund-Future, der eine fiktive Bundesanleihe mit 10-jähriger Laufzeit widerspiegelt, hat kräftig zugelegt. Er konnte zeitgleich seinen Aufwärts- und Abwärtstrendkanal nach oben brechen (grün und rot im folgenden Chart).
Und mit der steilen Aufwärtsbewegung hat er nun schon exakt 61,80 % der Kursverluste aufgeholt, die seit dem Hochpunkt des Bankenbebens vom März (gelbe Ellipse) entstanden waren.
Ich muss ganz klar eingestehen, dass ich mit einer solchen Entwicklung nicht gerechnet hatte. In meinen Augen ist sie in diesem Ausmaß auch unbegründet und eine Übertreibung. Den Lesern des Target-Trend-Spezial, in dem der Bund-Future regelmäßig analysiert wird, hatte ich geschrieben, dass der Bund-Future aus einer Abwärts- in eine Seitwärtstendenz übergehen sollte, da sich die Leitzinsen auf absehbare Zeit nicht ändern (siehe auch „EUR/USD und Bund-Future: Schwäche beendet, aber ohne Stärke“). Grundsätzlich hatte ich daher mit einem Bruch des Abwärtstrendkanals gerechnet, aber nicht verbunden mit einem derart starken Anstieg.
h2 BlackRock (NYSE:BLK): Der Markt ist zu weit gegangen/h2Damit bin ich aber nicht alleine. Auch BlackRock, immerhin der größte Vermögensverwalter der Welt, ist der Ansicht, dass der Markt hinsichtlich des Ausmaßes von Zinssenkungen im nächsten Jahr zu weit gegangen ist. Es bestehe daher das Risiko, dass die Hoffnungen der Anleger enttäuscht werden.
Mit anderen Worten: Die Zinsen bzw. Renditen werden wieder etwas zulegen, die Kurse am Anleihemarkt somit wieder ein wenig zurückkommen. Und vielleicht pendelt sich der Bund-Future dann irgendwo zwischen dem Oktober-Tief und dem Hoch der aktuellen Rally in eine Seitwärts- oder eine moderate Aufwärtstendenz ein. Und damit würde er dann dem Zinspfad der Notenbanken folgen. Wenn man es spekulativ mag, könnte man also nun auf einen Rücksetzer traden. Das gilt übrigens sowohl für den Anleihe- als auch für den Aktienmarkt.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
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