Emre Şentürk | 23.06.2022 13:26
Nachdem am 30. März die Frühwarnstufe des Notfallplans zur Gasversorgung in Deutschland ausgerufen wurde, folgte heute die Aktivierung der zweiten Stufe dieses Notfallplans. Damit werden zwar noch keine direkten aktiven Maßnahmen ergriffen, aber sämtliche Akteure der Infrastruktur sind jetzt in Alarmbereitschaft. Bei Bedarf können diese aber durchgesetzt werden, was für Industrie und Haushalte Konsequenzen hat.
Einer der Hauptfaktoren ist die gedrosselte Gasversorgung aus Russland durch die Nord Stream 1 Pipeline, welche nur noch 40% der eigentlichen Kapazität durchlässt. Diese wird zudem ab dem 11. Juli gewartet, was hier weiter zu imminenten Druck auf die Gasversorgung in Deutschland ausüben dürfte. Das Nord Stream 2 Projekt wurde wegen des internationalen Drucks auf Russland nicht in Betrieb genommen und konnte somit keine Entlastung herbeiführen. Eine alternative Rückkehr zur vollen Gasversorgung aus Russland schließt man kategorisch aufgrund politischer Gründe aus.
Aktuell kann der Markt noch die Nachfrage nach Gas bedienen und staatliche Interventionen, die erst in der letzten Stufe des Notfallplans eingesetzt werden, sind nicht geplant. Jedoch werden nun die Informationsketten enger und direkter gehalten, sodass Produzenten, Lieferanten, Industrie und Behörden enger zusammenarbeiten können. Damit sollen regionale Engpässe besser bewältigt werden. Die Preisanpassungsklausel, über die Versorger (NYSE:XLU) mit erhöhten Verbraucherpreisen die Nachfrage senken können, soll aber noch nicht aktiviert werden. Es stellt sich also die Frage, ob diese zweite Stufe tatsächlich irgendetwas ändert oder nur ein rhetorischer Akt ist.
Viel interessanter ist, dass in der Zwischenzeit der Staat den Druck bei der Suche nach Alternativen zur Gasversorgung erhöht. Immer lauter werden die Stimmen nach einem Comeback der Kohlekraft. Das Ruhrgebiet hatte um die Jahrtausendwende einen massiven Strukturwandel durchgemacht, der den Bergbau-Sektor, einst Rückgrat der deutschen Wirtschaft, fast komplett lahmgelegt hat. Reserven seien zu Genüge da: laut Statista liegen die nachgewiesenen Weich- und Braunkohlereserven bei über 35.9 Milliarden Tonnen. Das ist genug, um die Energieversorgung noch einige Jahrzehnte zu stemmen.
Eine Rückkehr zur Kohlekraft ist somit nicht ausgeschlossen und würde die nationale Wirtschaft wieder beflügeln. Natürlich ist dies aber eine massive Umweltbelastung, weshalb der Kohleausstieg überhaupt erst stattfand. Möglicherweise könnte dies aber zu einer Innovationswelle führen, den Abbau und die Verwendung der Kohle umweltfreundlicher zu gestalten.
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