Folker Hellmeyer | 28.06.2016 11:58
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1058 (07.46 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.0971 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 101.99. In der Folge notiert EUR-JPY bei 112.77. EUR-CHF oszilliert bei 1.0808.
Bisweilen fehlen einem die Worte.
Da verspricht ein Premierminister Cameron vollmundig vor dem Referendum für den Fall eines positiven Votums pro Brexit am kommenden Morgen den Austritt aus der EU durch Aktivierung des Artikels 50. Es wird jedoch nicht geliefert! So etwas nennt man Wortbruch nicht nur gegenüber der eigenen Bevölkerung, sondern auch gegenüber der EU.
Ganz im Gegenteil will man sich jetzt auf Seiten des UK Zeit lassen. Das gilt auch für die die Herren Farage und Johnson, denen es bis vor wenigen Tagen gar nicht schnell genug gehen konnte und deren martialische Verbalakrobatik eben auch für das aktuelle Dilemma verantwortlich zeichnet.
In diesem Zusammenhang steht das Thema einer weiteren Extrawurst für London im Raum. Sofern die EU bereit sei, mit dem UK ein Einwanderungsabkommen abzuschließen, dass dem UK die vollständige Grenzhoheit zusichern würde, sei eine zweites Referendum im UK laut britischem Gesundheitsminister Hunt, der auf den Premierposten schielt, möglich.
Nun ist die Freizügigkeit eines der Kernelemente der EU. Sollte die EU auch nur in Ansätzen dieses Begehren ernst nehmen, würfe das Fragen der Unterordnung der EU unter das UK auf. Davon gehen wir hier in Bremen zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus.
Ergo kommt es durch das Verhalten der britischen Regierung zu einem Zeitverzug. Dieser Zeitverzug führt zu weiteren konjunkturellen Schäden in der EU. Einmal mehr ist das Verhalten der Verantwortlichen in London für die EU wenig konstruktiv. Ergo liegen die Herren Hollande und Renzi richtig, erheblichen Druck auf das UK auszuüben, um den Austrittsprozess zu starten und damit den Schaden für die EU und die dort lebenden Menschen einzugrenzen.
Der heute beginnende Gipfel ist das richtige Format, gegenüber London Klartext zu produzieren. Da sind wir auch ganz nah an unserem Finanzminister Schäuble, der den Brexit für unumkehrbar hält.
Dabei darf übrigens thematisiert werden, dass das UK 1973 (meine ersten Aufenthalte im UK) in einer Phase der wirtschaftlichen Sklerose die Hilfen der EWG/EU gerne annahm. Das war europäische Solidarität zu Gunsten des UK …
Fazit:
Die Märkte tun gut daran, den Brexit voll zu diskontieren. Die Reaktion der Positionsanpassungen ist zu einem guten Teil bezüglich der Eurozone erfolgt. Die Eurozone wird perspektivisch bezüglich der Konjunkturlage durch Produktionsverlagerungen profitieren.
Die Lernkurve für die übrigen 27 EU-Länder fällt eindeutig aus. Exit aus der EU ist mit erheblichen Wirtschafts- und Wohlstandsrisiken korreliert. Die Reaktion der Ratingagenturen ist eine klare Mahnung.
Ergo kann die Wahrnehmung und Diskontierung der Märkte bezüglich der EU und der Eurozone durchaus in Frage gestellt werden.
Damit kommen wir zu den Wirtschaftsdaten der Eurozone, die gestern veröffentlicht wurden:
Die Geldmenge M-3 legte im Jahresvergleich per Mai um 4,9% nach zuvor 4,6% und einer bei 4,8% angesiedelten Prognose zu. Die Tendenz weist in die gewünschte positive Richtung!
Die Kredite an Privathaushalte verzeichneten per Mai im Jahresvergleich einen Anstieg um 1,6% nach zuvor 1,5% und markierten damit den höchsten Anstieg seit Ende 2011.
Die Kreditvergabe an Unternehmen stieg im Jahresvergleich um 1,4% nach zuvor 1,2%. Auch hier ergibt sich die beste Performance seit Ende 2011!
Es gilt zu beachten, dass die Eurozone das Wachstum im Dunstkreis des Potentialwachstumspfads der Eurozone bisher maßgeblich aus Einkommen basiert hat.
Das ist ein elementarer Qualitätsunterschied zu den USA und dem UK. Das vergessen viele Analysten, Volkswirte, aber auch Politiker! Ich bin durchaus irritiert …
„Food for thought!“
Aus den USA erreichte uns der Dallas Fed Manufacturing Index per Berichtsmonat Juni. Es kam zu einem Anstieg von zuvor -20,8 auf -18,3 Punkte. Damit setzt sich die Kontraktion sportlich fort.
Die Beschäftigungsindices fielen negativer als im Vormonat aus. Der Beschäftigungsindex sank von -6,7 auf -11,5 Punkte, während der Index der Wochenarbeitszeit von -11,8 auf - 12,8 fiel.
Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.1100 -30 dreht den Bias.
Viel Erfolg!
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