Feindliche Übernahme? Kryptobörse Binance schluckt größten Rivalen FTX

 | 09.11.2022 16:23

Der gestrige Tag am Kryptomarkt lässt sich zweifelsohne als einer der ereignisreichsten der vergangenen Jahre bezeichnen. So wurde am Nachmittag mitteleuropäischer Zeit vermeldet, dass die weltweit größte Kryptobörse Binance die wohl in finanzielle Schieflage geratene Nummer zwei der Kryptohandelsplätze, FTX, übernimmt. In der Folge stellten sich weltweit Panikverkäufe ein, befürchteten doch wohl zahlreiche Anleger, dass die Insolvenz von FTX eine Kettenreaktion auslösen könnte, die auch andere Plattformen mit in den Abgrund reißt. Jedenfalls verloren auch die beiden weltweit größten Kryptowährungen massiv an Wert: Während der Bitcoin um über 15% nachgab und in diesem Zuge ein neues Korrekturtief ausbaute, brach der Ethereum-Kurs in der Spitze gar knapp 30% ein. Eines vorweg: Wir hatten die Abverkäufe im Rahmen unserer (Primär-)Szenarien kommen sehen. Nun möchten wir aber nochmals etwas genauer auf die Binance-FTX-Geschichte blicken – und Sie in diesem Rahmen auch chronologisch durch die Ereignisse der vergangenen drei Tage führen.

Bisher ist es noch unklar, wie es dazu kommen konnte, dass der weltweit drittgrößte Kryptohandelsplatz FTX finanziell so extrem in die Bredouille geraten konnte. Was hingegen klar ist: In den Tagen vor der Übernahme äußerte sich Binance-CEO Chanpeng Zhao, kurz CZ, auf der Kurznachrichtenplattform Twitter mehrmals zu möglichen Liquiditätsproblemen von FTX. Hier ist es zunächst wichtig zu wissen, dass Binance und FTX eine gemeinsame Vergangenheit haben: Im Jahr 2019 tätigte Binance ein strategisches Investment in den aufstrebenden Marktteilnehmer und verhalf FTX rückblickend wohl zu seinem kometenhaften Aufstieg. Zwei Jahre später kaufte FTX die Anteile von Binance wieder zurück, bezahlt wurde hier zu großen Teilen in Bitcoin und in FTT, dem FTX-eigenen Token.

h2 CoinDesk-Artikel stößt Entwicklung an/h2

Und nun zur Kurzzusammenfassung der Ereignisse der vergangenen Tage und Stunden: Am 6. November twitterte Binance-Chef CZ in Richtung seiner über sieben Millionen Follower, dass Binance seinen restlichen FTT-Bestand im Wert von rund $584 Millionen verkaufen werde – und zwar aufgrund neu ans Licht gekommener Erkenntnisse. Hierbei verwies Zhao auf einen Artikel der Kryptonews-Plattform CoinDesk, in welchem über die Liquidität der Tradinggesellschaft Alameda Research – dem zweiten milliardenschweren Unternehmen von FTX-Gründer Sam Bankman-Fried – spekuliert wird. Es wird aufgeführt, dass Alameda Research über deutlich weniger liquide Mittel verfügen solle, als öffentlich kommuniziert – und, dass zudem noch ein beachtlicher Teil dieser Mittel in FTT-Token gehalten werde. Lange Rede, kurzer Sinn: CZ machte sich offenbar Sorgen darüber, dass Alameda Research – falls das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten kommen sollte – diese FTT-Coins auf den Markt werfen könnte – und, dass dies wiederum den Kurs massiv einbrechen lassen könnte. Seine Aussagen – auch weil er in einem weiteren Tweet FTT und somit FTX mit dem vor geraumer Zeit implodierten Terra-Luna-Token verglich – implizieren, dass ein Crash des FTT-Tokens auch schwerwiegende Folgen für die Liquidität von FTX nach sich ziehen könnte.

h2 FTX-eigener Token FTT gibt um über 80% nach/h2

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Jedenfalls kam es im Zuge der CZ-Tweets zum einen zu einem starken Ausverkauf des FTT-Tokens, verlor dieser doch in den vergangenen Tagen über 80% seines Wertes. Zum anderen zogen verunsicherte Anleger im Verlauf der vergangenen zwei Tage Kryptoassets in Milliardenhöhe von der FTX-Börse ab. Dies führte wohl – mehreren Medienberichten zufolge – dazu, dass FTX tatsächlich illiquide wurde und Auszahlungen pausieren musste. Zudem wird inzwischen vermutet, dass das Liquiditätsloch bei FTX auch deshalb so groß war, weil man mit den Assets von Anlegern spekuliert habe. Bankman-Fried begründet diesen Liquiditätsengpass und die daraus resultierende Insolvenz hingegen mit den langsamen Verarbeitungszeiten traditioneller Banken, die einen beachtlichen Teil der liquiden Mittel des Unternehmens verwahren.

h2 Chanpeng Zhao: Retter in der Not?/h2

Gestern versuchte FTX-Gründer Sam Bankman-Fried dann offenbar vergeblich, $1 Milliarde aufzutreiben, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, ehe sich dann Chanpeng Zhao einschaltete. Ihm zufolge habe ihn FTX gebeten, „signifikante Liquiditätsengpässe“ zu beheben. Vermeldet wurde die Übernahme dann per Twitter – sowohl von Zhao als auch von Bankman-Fried. Beide versicherten, dass die Assets aller Kunden sicher seien. Gemeinsam arbeite man nun in mehreren Teams an der Wiederaufnahme der Auszahlungen bei FTX. Hinsichtlich der finanziellen Rahmenbedingungen des Übernahme-Deals drangen bisher noch keine Informationen an die Öffentlichkeit. Was jedoch kommuniziert wurde: Binance behält sich das Recht vor, jederzeit vom Deal zurückzutreten. Was dann mit den Kryptoassets der Anleger geschehen würde, hierüber lassen sich derzeit keine seriösen Aussagen treffen.

h2 Auch Solana verzeichnet starke Verluste/h2

Eine weitere Frage, die Anlieger weltweit wohl aktuell umtreibt: Was passiert nun mit dem FTT-Token, also dem hauseigenen Coin von FTX? Dieser dürfte nämlich nach der Übernahme obsolet sein, hat Binance doch mit BNB einen eigenen Token am Markt – und dieser belegt in der Marktkapitalisierungsrangliste derzeit nach Bitcoin, Ethereum und dem Stablecoin Tether den vierten Platz. Übrigens: Auch der Altcoin Solana, den wir in unserem Altcoinpaket regelmäßig analysieren, verzeichnete in den vergangenen Tagen massive Verluste, rutschte der Kurs doch seit Samstag um über 60% ab. Dies geht wohl darauf zurück, dass FTX und Gründer Bankman-Fried große Verfechter des Projekts sind respektive waren – und entsprechend auch massiv in diesem Wert investiert waren respektive sind.

Abschließend sei darauf verwiesen, dass es derzeit selbstverständlich äußerst schwer ist, eine seriöse Aussage darüber zu treffen, wie es denn nun zur Mega-Übernahme kam. Natürlich könnte man auch vermuten, dass Binance hier eine clevere Strategie gefahren ist, um den größten Konkurrenten aus dem Spiel zu nehmen. Wir sind gespannt, welche Details hier wohl in den kommenden Tagen und Wochen noch an die Öffentlichkeit dringen werden…