Fed rudert zurück, aber die Inflationswelle ist noch nicht gebrochen

 | 02.11.2022 06:16

  • Nach der für diese Woche zu erwartenden Zinserhöhung um 75 Basispunkte hat der Markt einen relativ raschen Kurswechsel der Fed eingepreist
  • In Anbetracht der hartnäckig hohen Inflation und der entschlossenen Gangart der Fed halte ich jedoch eine Zinspause für wahrscheinlicher
  • Die monetären Bedingungen schaden weiterhin eher der Wirtschaft als der Inflation per se
  • Es sind nur noch ein paar Stunden bis zum nächsten FOMC-Entscheid, bei dem die US-Notenbank den Leitzins mit ziemlicher Sicherheit um weitere 75 Basispunkte auf volle 4 % anheben wird.

    Vergangene Woche herrschte am Markt großer Optimismus, dass die Fed am Mittwoch unmissverständlich signalisieren würde, dass sie den Umfang ihrer Zinserhöhungen ab Dezember reduziert und voraussichtlich bei 5 % haltmacht. Diese Meinung vertrete ich schon seit geraumer Zeit, aber sie spiegelt sich nunmehr vollständig in den Markterwartungen wider, weswegen sie nicht länger von Bedeutung ist. Ich glaube sogar, dass der Markt einen relativ schnellen Übergang zu Zinssenkungen einpreist.

    Zugegeben, vor einem Jahr dachte auch ich, dass die Fed schnell die Nerven verlieren würde, sobald etwas passiert. Bislang ist jedoch nichts passiert, und die Fed hat viele von uns mit ihrer entschlossenen Haltung überrascht. Ich glaube nicht, dass die Fed nur darauf wartet, die Zinsen wieder zu senken, sobald sie ihr endgültiges Ziel erreicht hat, vielmehr denke ich, dass die Fed die Zinsen ein Jahr oder länger auf dem hohen Niveau halten wird.

    Das liegt zum Teil daran, dass die Inflation zwar zurückgehen wird, aber nur langsam - die Fed wird also zwischen einer Straffung, weil die Inflation immer noch zu hoch ist, und einer Zinssenkung aufgrund des schwachen Wachstums und der Inflation, die zumindest in die richtige Richtung geht, hin- und hergerissen sein. Ob das wirklich so kommt, muss sich natürlich erst noch zeigen, aber ich will damit sagen, dass der Markt eine sehr optimistische Zins- und Inflationsentwicklung einpreist, und das kann in vielen Fällen nur schlecht für die Märkte sein.

    Die Fed kommt mit ihren Bemühungen, die Wirtschaft zu bremsen, zügig voran. In meinem Artikel von letzter Woche hatte ich darauf hingewiesen, dass das Instrument der Fed zur Drosselung der Wirtschaftsleistung nicht dasselbe ist wie ihr Instrument zur Eindämmung der Inflation. In der Vergangenheit waren beide Instrumente untrennbar miteinander verschmolzen, da die Höhe der erforderlichen Reserven (die sich auf die Geldmenge auswirkt) auch die Zinssätze beeinflusste. Heute ist das nicht mehr der Fall. Der Grund liegt darin, dass die Banken nicht länger in ihren Reserven eingeschränkt sind. Die eigentliche Frage lautet also: Warum will die Fed die Wirtschaftsleistung bremsen?

    Jetzt die App holen
    Werden Sie Teil der größten Finanz-Community der Welt
    Downloaden

    Es herrscht die gängige Meinung, dass Rezessionen zu Disinflation führen, aber das stimmt nicht. Ich habe diese Grafik wahrscheinlich schon einmal gezeigt, aber es lohnt sich, sie immer wieder anzuschauen. Während der beiden schlimmsten Rezessionen der letzten 100 Jahre fiel die Kerninflation nie in den negativen Bereich; ja, sie verlangsamte sich sogar kaum, und das auch nur für kurze Zeit. Natürlich ist das so - wäre es nicht so, würde es keine Stagflation geben.