EZB bedient sich reichlich am Instrumentenkasten

 | 11.12.2020 12:49

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern wie erwartet neue geldpolitische Maßnahmen angekündigt. Insgesamt wurde an mindestens sieben Stellschrauben gedreht. Unter anderem wurden dabei die Erwartungen der Märkte erfüllt, dass die Leitzinsen zwar nicht angetastet werden, der Umfang des Pandemie-Notfallprogramms zum Anlauf von Anleihen (Pandemic Emergency Purchase Programme – PEPP) aber um 500 Milliarden Euro auf insgesamt 1.850 Milliarden Euro erweitert und die Laufzeit bis mindestens Ende März 2022 verlängert wird (zuvor: mindestens Ende Juni 2021).

Auch die Nettoankäufe im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme – APP) werden in einem monatlichen Umfang von 20 Milliarden Euro fortgesetzt, ohne dass hier ein konkretes Enddatum genannt wurde. Zudem wurde beschlossen, dass die Tilgungsbeträge der im Rahmen des PEPP erworbenen Wertpapiere mindestens bis Ende 2023 bei Fälligkeit wieder angelegt werden (zuvor: Ende 2022).

Daneben werden die Bedingungen für die dritte Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) erneut rekalibriert und drei zusätzliche Geschäfte zwischen Juni und Dezember 2021 durchgeführt. Außerdem werden 2021 vier zusätzliche längerfristige Pandemie-Notfallrefinanzierungsgeschäfte (Pandemic Emergency Longer-Term Refinancing Operations – PELTROs) angeboten. Bei den weiteren Maßnahmen handelte es sich insbesondere um (technische) Anpassungen bereits bestehender Angebote.

Insgesamt wurden die Markterwartungen erfüllt

Insgesamt hat sich die Notenbank also reichlich aus ihrem vorhandenen Werkzeugkasten bedient. Aber da die EZB lediglich ihre vollmundigen Ankündigungen umgesetzt hat und die Markterwartungen damit erfüllt wurden, insbesondere was den erweiterten Umfang des PEPP angeht, blieben die Kursreaktionen an den Börsen im direkten Anschluss an die Bekanntgabe der Maßnahmen moderat. Die Aktien- und Edelmetallmärkte tendierten stabil, der Euro legte leicht zu und die Anleihekurse gaben etwas nach. Offenbar hatten die Anleihehändler eine höhere Summe erwartet und die Devisenhändler diese befürchtet.

Projektionen wurden an aktuelle Entwicklungen angepasst

An den moderaten Kursveränderungen änderte sich auch kaum etwas während der Pressekonferenz mit EZB-Chefin Christine Lagarde. Und auch die aktualisierten Projektionen der EZB-Volkswirte (Konjunkturprognosen, siehe folgende Tabelle) hielten keine Überraschungen bereit.

Konjunkturerwartungen (Projektionen) der EZB

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(Quelle: Europäische Zentralbank)

Die Entwicklung am Arbeitsmarkt wurde über die nun betrachteten vier Jahre (2020 bis 2024) insgesamt optimistischer betrachtet, was der längst bekannten schnelleren Erholung der Wirtschaft in der Corona-Krise geschuldet ist. Gleiches gilt für die BIP-Prognose zum laufenden Jahr. Dafür wurden die Wachstumserwartungen für das kommende Jahr gesenkt, womit wohl auch die zweite Corona-Welle berücksichtigt wird, die stärker ausfällt als erwartet. Im Gegenzug wurde aber wiederum das BIP-Plus des Jahres 2022 angehoben. Derweil gab es in Sachen Inflation nur sehr moderate Korrekturen.

Inflationsziel bleibt trotz neuer Maßnahmen unerreichbar

Die EZB traut sich also trotz der heute beschlossenen zusätzlichen Maßnahmen weiterhin nicht zu, ihr Inflationsziel auf absehbare Zeit zu erreichen. Wozu dann eigentlich noch mehr billige Liquidität, kann man da durchaus fragen. Eine Antwort darauf hat Christine Lagarde auf der Pressekonferenz gegeben: Die EZB erwartet, dass eine Herdenimmunität erst gegen Ende 2021 vorliegen wird. Und entsprechend lang wird die Wirtschaft noch unter der Pandemie leiden. Also musste die Notenbank ihre Instrumente, die bislang auf Mitte 2021 ausgerichtet waren (PEPP-Käufe), verlängern.

Über die Wirksamkeit der (zusätzlichen) Notenbankmaßnahmen lässt sich dennoch streiten. Aber sie dienen letztlich auch der Beruhigung von Märkten und Wirtschaft, die stets Sicherheit benötigen. Und nun können Anleger und Unternehmer sicher sein, dass die EZB auch bis weit über die Mitte 2021 hinaus mit einer akkommodierenden Geldpolitik unterstützend beiseitestehen wird.

Erst abwärts, dann wieder aufwärts

Interessant zu beobachten war, dass die Aktienindizes nach Ende der EZB-Pressekonferenz und mit Beginn des US-Handels zunächst noch ihre Kursverluste vom vorgestrigen Abend fortsetzten, sogar mit zunehmender Dynamik, dann aber plötzlich eine Aufholjagd starteten. Eigentlich waren die diversen Indizes im sehr kurzfristigen Bereich angeschlagen. Doch durch die dynamischen Erholungen muss man nun erst einmal wieder abwarten, für welche Richtung sich die Anleger letztlich entscheiden.

Schade, ich hatte kurzfristig gute Chancen auf eine Korrektur und noch einmal günstigere Kaufkurse gesehen. Jetzt fürchte ich, dass sich die Übertreibung an den US-Märkten fortsetzt, womöglich durch die zusätzliche Liquidität der EZB und die Hoffnung auf weitere Gelder für die Wirtschaft von den Regierungen der Eurozone und den USA – auf dass sich weitere Blasen an den Börsen bilden! Der anhaltende Hype um die Tesla-Aktie (NASDAQ:TSLA) oder der jüngste Börsengang von DoorDash lassen als aktuelle Beispiele grüßen. Aber warten wir das Ende des heutigen Börsentages ab…

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus

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