Erdöl: "Die größte Versorgungskrise der letzten Jahrzehnte" kündigt noch höhere Ölpreise an (Teil 2)

 | 26.03.2022 06:07

In Teil 1, der gestern veröffentlicht wurde, konzentrierten wir uns auf die wachsenden Versorgungsrisiken auf dem aktuellen Ölmarkt. Im heutigen Beitrag untersuchen wir die jüngsten Angebotstrends, um die Perspektiven für eine mögliche Schließung der Versorgungslücke zu ermitteln.h2 OPEC: Der Kampf um die Fördermenge geht weiter/h2

Im jüngsten Monatsbericht der IEA zum Ölmarkt wird der Schlüsselfaktor für den Rückgang der internationalen Ölbestände genannt:

"Die chronische Untererfüllung der OPEC+-Ziele, die seit Anfang 2021 300 Millionen Barrel Öl weniger auf den Markt gebracht hat."

Wie ich schon früher geschrieben habe, kämpfen viele OPEC+-Mitglieder mit dem gleichen Gegenwind, der die US-Schieferölproduktion bremst: Unterinvestitionen. Dabei handelt es sich um ein langfristiges Problem, das sich mit jeder monatlichen Datenerfassung weiter zeigt.

Laut dem letzten OPEC-Produktionsbericht , der in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, hat das Ölkartell ihre Förderquote erneut um über 600.000 Barrel pro Tag unterschritten. Das Problem ist auf die anhaltenden Produktionsschwierigkeiten in den OPEC+-Mitgliedsländern der Peripherie zurückzuführen, zu denen unter anderem Angola und Nigeria gehören.

Die einzigen beiden OPEC+-Mitglieder mit beträchtlichen Kapazitätsreserven sind Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Niemand weiß genau, wie hoch die ungenutzten Kapazitäten sind, aber die Konsensschätzungen bewegen sich zwischen 2,5 und 3 Millionen Barrel täglich für die Gesamtproduktion beider Länder. Theoretisch könnten sowohl Saudi-Arabien als auch die VAE, wenn sie die Hähne denn öffnen und auf Hochtouren produzieren würden, die russischen Förderausfälle annähernd ausgleichen, die sich laut IEA auf 3 bis 4 Millionen Barrel pro Tag belaufen könnten.

h2 Können Saudi-Arabien und die VAE eine globale Energiekrise verhindern?/h2

Angesichts der katastrophalen Ölversorgungslage bemühen sich Politiker in den Japan darum, sowohl Saudi-Arabien als auch die VAE davon zu überzeugen, ihre Kapazitätsreserven auszuschöpfen und auf den Markt zu bringen. Dabei gibt es freilich mehrere Herausforderungen.

Zum einen würde dies einen Bruch der derzeitigen OPEC+-Koalition bedeuten, da beide Länder ihre vereinbarten Produktionsquoten überschreiten würden. Natürlich ist alles möglich - vor allem in einer ausgewachsenen Energiekrise. Aber zum jetzigen Zeitpunkt gibt es kaum Anzeichen dafür, dass eines der beiden Länder die Absicht hat, das derzeitige OPEC+-Abkommen zu kippen.

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Erschwerend kommt hinzu, dass der Graben zwischen dem Weißen Haus und Saudi-Arabien sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten immer tiefer wird. Ein großer Teil dieses Zerwürfnisses lässt sich auf Präsident Biden zurückführen, der sich gegen die Unterstützung der Bemühungen beider Länder im anhaltenden Bürgerkrieg im Jemen ausgesprochen hat. Die wachsende Kluft lässt sich am besten an der Meldung festmachen, dass weder Vertreter Saudi-Arabiens noch der VAE auf Bidens Anrufe in den ersten Tagen der russischen Invasion in der Ukraine reagierten . Noch komplizierter wird die Angelegenheit durch Bidens nachgiebige Haltung gegenüber Saudi-Arabiens größtem regionalen Rivalen Iran (dazu gleich mehr).

Das zweite Problem ergibt sich aus dem nachstehenden Schaubild - ein Einbruch der Bohraktivitäten sowohl in Saudi-Arabien als auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten um fast 50 % unter das Niveau vor COVID: