Energiekrise, Inflation, Rezession – wie steht’s um den deutschen Arbeitsmarkt?

 | 09.01.2023 13:17

Die Zentralbanken weltweit versuchen in den vergangenen Monaten, der im Zuge von Pandemie und Ukraine-Konflikt massiv gestiegenen Inflationsraten mit starken Leitzinserhöhungen Herr zu werden. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang von Experten darauf verwiesen, dass die Banken diese straffende Geldpolitik nur so lange aufrechterhalten können, wie sich die Arbeitslosenzahlen auf einem moderaten Niveau bewegen.

Die Arbeitslosenzahlen in Deutschland spiegeln nicht die Realität wider.

Obgleich der Tatsache, dass sich diese Daten sowohl in den USA als auch in Deutschland über das Jahr hinweg recht stabil präsentierten, waren es zuletzt die großen nordamerikanischen Tech-Player wie Amazon (NASDAQ:AMZN) und Meta (NASDAQ:META), aber auch beispielsweise die Investmentbank Goldman Sachs (NYSE:GS), die aufgrund des schwierigen Marktumfelds und der gedämpften Aussichten für das Jahr 2023 umfangreiche Stellenkürzungen ankündigten und teils bereits durchsetzten. Auch in Deutschland rückt die Diskussion über eine potenzielle Entlassungswelle im Zuge der vorherrschenden Energiekrise zuletzt zunehmend in den Fokus.

Arbeitslosenzahlen im Jahresvergleich stabil

Werfen wir in Anbetracht dessen einen kurzen Blick auf die hiesigen Arbeitslosenzahlen: Der offiziellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit lässt sich entnehmen, dass die Arbeitslosenquote in Deutschland zum Dezember 2022 bei 5.4% und somit auf dem gleichen Niveau wie im Januar 2022 lag. Im Frühjahr des vergangenen Jahres sanken die Zahlen – wie gewohnt – etwas ab, ehe sie im Mai mit 4.9% ihren Jahrestiefststand verzeichneten. Es schloss sich ein Anstieg bis zum Peak im August an, als offiziell 2 547 000 Menschen als arbeitslos gemeldet waren, was einer Quote von 5.6% entsprach. Es lässt sich also – zumindest anhand dieser Statistik – für das vergangene Jahre kein anhaltender Anstieg der Arbeitslosenzahlen feststellen.

In diesem Zusammenhang ist es aber auch wichtig zu wissen, wer in Deutschland überhaupt als arbeitslos gilt. Dies lässt sich dem Sozialgesetzbuch II entnehmen. So umfasst die gesetzliche Definition hier alle Erwachsenen, die keine Arbeit haben oder weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche suchen und für einen Job durch Vermittlung der Arbeitsagenturen sofort zur Verfügung stehen. Darüber hinaus muss jemand, um als Arbeitsloser in der Statistik aufzutauchen, sich bei einer Arbeitsagentur auch persönlich als arbeitssuchend melden. Grundsätzlich kann man hierzulande zudem nur dann als arbeitslos gelten, wenn man mindestens 15 Jahre alt ist und das gesetzliche Renteneintrittsalter noch nicht überschritten hat.

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In der Vergangenheit kam es immer wieder dazu, dass die Politik die Kriterien der Definition so umformulierte, dass diese in der Folge weniger Menschen betraf und somit die Arbeitsloszahlen offiziell zurückgingen. Dies führt bis heute dazu, dass viele erwerbsfähige Bürger, die tatsächlich keine Arbeit haben, nicht in der Statistik als arbeitslos aufgeführt werden. Neben den oben bereits erwähnten Personen, die sich nicht persönlich bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend melden, gelten auch Menschen, die zwar keine Arbeit haben, zum Zeitpunkt der Erhebung aber krankgeschrieben sind, nicht offiziell als arbeitslos. Ebenfalls nicht in der Statistik tauchen jene Arbeitslosen auf, die zum Zeitpunkt der Erhebung durch Instrumente der Arbeitsmarktpolitik gefördert werden. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Fort- und Weiterbildungs- sowie Trainings- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Zudem fehlen in der Arbeitslosenstatistik alle Menschen ab einem Alter von 58 Jahren, die seit mindestens einem Jahr Arbeitslosengeld II (ehemals Hartz 4, neuerdings Bürgergeld) erhalten und in diesem Zeitraum keinerlei sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen angeboten bekommen haben.

3.8 Millionen Arbeitslosengeld II-Empfänger bei insgesamt 2.6 Millionen Arbeitslosen

Ein großer Anteil, der nicht in der Statistik aufgeführten Arbeitslosen, entfällt auf Personen, die den ihnen aufgetragenen Pflichten bei der Jobsuche nicht nachkommen möchten und somit eine Vermittlung erschweren respektive unmöglich machen. Dies betrifft zum einen Personen, die sich weigern, an Maßnahmen der Agentur für Arbeit teilzunehmen, zum anderen solche, die nicht dazu bereit sind, eine „zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes“ anzunehmen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass sich im Jahr 2021 lediglich 42% der rund 3.8 Millionen Arbeitslosengeld II-Empfänger in der Arbeitslosenstatistik wiederfanden. Die Bundesagentur für Arbeit meldete zum Ende des Jahres 2021 übrigens eine Arbeitslosenzahl in Höhe von 2.6 Millionen…

Es lässt sich also festhalten, dass die von offizieller Stelle aus gemeldeten Zahlen zur Arbeitslosigkeit in Deutschland recht wenig Aussagekraft mit sich bringen. So muss davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer hier deutlich höher liegt. Entsprechend zeichnet die Politik ein Bild des Arbeitsmarktes, welches nicht der Realität entspricht. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Zahlen zur Entscheidungsfindung im Rahmen wichtiger Aufgaben und Debatten in unserem Land herangezogen werden, sollte hier unbedingt mit aussagekräftigeren Zahlen hantiert werden. Letztlich liefert uns der Arbeitsmarkt jedenfalls ein sauber illustriertes Beispiel dafür, dass wohl ein kausaler Zusammenhang zwischen methodisch solider Datenerhebung und der Qualität von politischen Entscheidungen besteht. Apropos Kausalität – um diese und um das Konzept der Korrelation geht in diesem interessanten Artikel meines Kollegen Patrick May, welcher jüngst am Freitag hier im Trading Room erschienen ist.

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