Ende der Korrektur oder Phase 4 - Welche Erkenntnis setzt sich durch?

 | 28.05.2020 10:00

Mir scheint es, dass der Kursanstieg der Aktienindizes inzwischen nicht mehr nur von den Werten getragen wird, die von der Coronavirus-Krise profitieren, sondern auch Aktien in die Kurserholung eingestiegen sind, die eigentlich noch mit erheblichen Problemen zu kämpfen haben.

Jetzt erholen sich auch noch die Nachzügler

So legten gestern zum Beispiel Bank-Aktien stark zu, die von möglichen Kreditausfällen belastet sind. Und schon seit vorgestern schießen Aktien aus dem Transport- und Tourismussektor durch die Decke, konkret Airlines und Reiseanbieter (zum Beispiel Lufthansa (DE:LHAG) und TUI (DE:TUIGn)), obwohl derzeit bei Urlaubsbuchungen und an den Flughäfen noch gähnende Leere herrscht, von ersten Lichtblicken einmal abgesehen. Und auch konjunktursensible Aktien zum Beispiel aus der Chemie- und Automobilbranche (unter anderem Covestro (F:1COV), BMW (DE:BMWG), Daimler (DE:DAIGn)) starten langsam aber sicher auch nach oben durch. Sie führen die Gewinnerlisten aktuell sogar an.

Man kann dies nun bullish sehen, weil die Kursanstiege damit nicht mehr nur von wenigen Aktien getragen werden, sondern nun eine gewisse Marktbreite herrscht. Man kann dies aber auch bearish sehen, weil die Aktien, die jetzt in die Kurserholung mit eingestiegen sind, vom Prinzip Hoffnung getrieben werden.

Passend dazu sagte Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank, auf der virtuellen Hauptversammlung des Finanzkonzerns, dass an den Märkten mögliche Zweit- und Drittrundeneffekte der Virus-Krise nicht ausreichend eingepreist seien. Solche Effekte können zum Beispiel Kreditausfälle von Unternehmen sein, die diese Krise nicht überleben. Und damit sind wir wieder bei den Bankenwerten, die jüngst ihre Kurserholung verstärkt haben. Die Märke setzen also immer stärker auf eine schnelle Erholung.

Viele Unternehmen werden die Krise erst nach Jahren abschließenDas Kuriose daran ist, dass gerade auch Aktien stark steigen, die mit milliardenschweren (Staats-)Krediten vor der Insolvenz bewahrt werden. Die oben bereits genannten Lufthansa und TUI sind dafür prominente Beispiele. Doch diese Unternehmen werden auf Sicht von mehreren Jahren für Ihre Aktionäre keine Erträge erwirtschaften. Selbst wenn die Unternehmen vielleicht im kommenden oder eher sogar erst in zwei oder drei Jahren wieder Gewinne erzielen, werden diese zunächst in die Tilgung der Kredite fließen. Davon haben Aktionäre als Anteilseigner im eigentlichen Sinne einer Gewinnbeteiligung also auf absehbare Zeit nichts.

Die Aktienkurse dieser Unternehmen steigen somit nicht, weil die Aktionäre von den Unternehmensgewinnen profitieren werden, sondern sie steigen aus spekulativen Gründen, weil Anleger auf Kursgewinne setzen. Wir haben es dadurch aktuell nicht mit einem fundamental gesunden Aufwärtstrend zu tun, sondern mit einem inzwischen nur noch rein spekulativ getriebenen Markt. Und dieser steckt schon wieder in einer extremen Übertreibung, sowohl fundamental als auch charttechnisch.

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Was kann die Kurserholung stoppen?

Kürzlich fragte mich ein Leser, „wie der DAX überhaupt auf 11.800 oder gar 12.000 Punkte steigen soll“, wo er doch charttechnisch noch diverse „heftige Barrieren“ vor sich hat, unter anderem das 61,80%-Fibonacci-Retracement der crashartigen Abwärtsbewegung (siehe dazu auch gestrige Analyse und Chart unten). Meine Antwort lautete wie folgt:

Charttechnische Hürden scheinen derzeit für den DAX nur kurzfristige Probleme zu sein. Denn die Börsenampeln stehen derzeit einfach in vielerlei Hinsicht auf grün. Ich frage mich daher aktuell eher, was den DAX eigentlich davon abhalten könnte, diese Hürden zu überspringen?! Denn die bullishe Stimmung der Anleger scheint zurzeit wie in Stein gemeißelt. Und in der Börse-Intern vom Mittwoch vergangener Woche war Folgendes zu lesen:„Doch durch die zusätzliche Liquidität besteht für viele Investoren keine Notwendigkeit, bestehende Investitionen aufzulösen, um sie in andere Anlagen umzuschichten, je nach Nachrichtenlage im Risk-On- oder Risk-Off-Modus. Stattdessen können bestehende Investitionen gehalten und durch die zusätzliche Investition aufgestockt werden, wovon Aktien, Anleihen und Gold seit dem 19. März fast gleichermaßen profitieren, frei nach dem Motto: Die Flut hebt alle Boote.“Ich bin aktuell aus fundamentaler Sicht alles andere als bullish. Aber der Trend ist einfach im Gange. Und es scheint schwer, diesen „fahrenden Zug“ anzuhalten oder gar umzukehren. Es braucht dazu allerdings meist nur ein Fünkchen, damit die Stimmung der Anleger dreht, auch wenn dieses noch nicht in Sicht scheint.DAX beendet die crashartige Korrektur

Passend dazu hat der DAX gestern auch bereits das 61,80er Retracement überschritten, wenn auch nicht nachhaltig (siehe grüner Kreis im folgenden Chart).