Bullard forciert Risikoaversion - Lindner: Risiko Blockbildung - Öl: Nachdenklichkeit

 | 18.11.2022 10:00

Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0370 (05:55 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0306 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 139,87. In der Folge notiert EUR-JPY bei 145,03. EUR-CHF oszilliert bei 0,9870.

Finanzmärkte: Bullard forciert Risikoaversion

An den Aktienmärkten kam es gestern zunächst zu erhöhter Risikoaversion. Der Gouverneur der Fed St. Louis Bullard äußerte sich aus Marktsicht falkenhaft. Bullard sieht das Leitzinsniveau von 5,00% - 5,25% als Minimum für eine restriktive Zentralbankpolitik an. Im weiteren Verlauf konnten die Aktienmärkte dann partiell Boden gutmachen. Das mag an moderaten Tönen von weiteren Fed Gouverneuren gelegen haben (Kashkari). Europas Märkte lieferten im Späthandel sogar einen Anstieg (Late DAX 22.00 Uhr 14.325,77 Punkte).

Am Kapitalmarkt zogen Renditen leicht an. Die 10 jährige Bundeanleihe rentiert heute früh mit 2,02% (Vortag 1,97%), die 10 jährige US-Staatsanleihe mit 3,75% (Vortag 3,71%). Der USD bewegt sich seitwärts. Der Euro kam gestern temporär nach den Bullard-Äußerungen unter Druck (Tief bei 1,0306), um sich dann im Verlauf zu erholen. Edle Metalle konnten keinen weiteren Boden gegenüber dem USD gewinnen, zarter Abgabedruck bestimmte das Bild.

Deutschland: Auftragspolster sinkt

Das Auftragspolster der deutschen Industrie ist im September geschrumpft. Es kam laut Statistischem Bundesamt zu einem Rückgang um 0,9% zum Vormonat. Erstmals seit Mai 2020 war der Auftragseingang niedriger als der Umsatz der Betriebe. Es wurden mehr Aufträge abgearbeitet als neue hinzugekommen seien.

Trotz des Rückgangs befindet sich der Auftragsbestand auf einem sehr hohen Niveau (Vorjahr +6,9%). In der Phase von Mai 2020 bis August 2022 kam es fast durchgehend zu Anstiegen, die sich auf 37,6 aufaddierten. Hintergrund des Aufbaus waren auch gestörte Lieferketten, die das Abarbeiten des Auftragsbestands verzögerten.

Kommentar: Grundsätzlich ist der industrielle Sektor resilient. Hinsichtlich enger Lieferketten kann die Weltwirtschaft nicht auf europäische Produktion verzichten. Die Abschirmung über das 200 Mrd. EUR Paket schafft preisliche Entspannung bis 2024 und Versorgungssicherheit ist derzeit absehbar gewährleistet. Auch aktuelle Quartalsberichte spiegeln diese Widerstandsfähigkeit.

Lindner: Risiko einer zunehmenden Blockbildung im Handel

Finanzminister Lindner macht in den USA Einschränkungen des freien Handels hinsichtlich des US-Inflation Reduction Act aus. Es ist ein Förderpaket für Energiesicherheit und zur Bekämpfung des Klimawandels. Es werden seitens der USA Unternehmen bevorzugt, die in den USA produzieren. Die EU befürchtet Nachteile für europäische Firmen.

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Kommentar: Ich stimme Herrn Lindner zu. Diese Risiken gab und gibt es jedoch schon seit Zerstörung der Schiedsgerichtsbarkeit der WTO (Link). Nachdem die USA das Gerüst für den globalen Handel und die darin verankerte Schiedsgerichtsbarkeit der WTO zerstörten (11.12.2019), ergibt sich für die USA ein freieres Feld für Sanktions- und Subventionspolitik. Das ist das Kernproblem, das mit der Frage nach der (US) regelbasierten Ordnung oder der gesetzesbasierten internationalen Ordnung im Kontext steht.

Dass weder Deutschland noch die EU dieses Thema offen ansprechen, wirft sehr viele Fragen auf, denn nur die gesetzesbasierte Ordnung entspricht dem Anspruch unserer Werte! Die US-regelbasierte Ordnung, ohne dass die USA sich selbst den eigenen Regeln unterwerfen (z.B. Völkerrechtsbrüche der USA, Link: Sanktionierung der Richter am Internationalen Staatsgerichtshof), stellt seitens der USA einen Unterordnungsanspruch dar, der für souveräne Länder vollständig unakzeptabel ist. Aber auf welche Seite muss sich Deutschland und die EU dann stellen, denn Werte sind ja nicht beliebig?

Lindner will nicht mit Gegenmaßnahmen reagieren. Wegen neuer Gesetze der US-Regierung sei er besorgt, dass es eine noch stärkere Blockbildung im internationalen Handel geben könnte. Die US-Maßnahmen sollten nicht automatisch zu Vergeltung führen. Das Gegenteil müsste passieren. Europa müsse noch stärker das Gespräch mit der Regierung in Washington suchen. Wertepartner sollten auch bevorzugte Handelspartner sein. Weniger Handelsbarrieren und weniger Subventionen müssten verhandelt werden. Denn ein Handelskrieg bringe nur Verlierer.

Kommentar: Der Handelskrieg wurde spätestens mit der Zerstörung der Schiedsgerichtsbarkeit seitens der USA eingeläutet (Aggression). Ja, man sollte miteinander reden, aber man sollte sich auch nicht voreilig auf den Rücken werfen (Interessen, Werte). Es geht um Grundsätzliches, die Wiederbelebung der Schiedsgerichtsbarkeit der WTO. Welche Länder stehen dafür, welche dagegen. Was heißt das für die EU/Deutschland bezüglich Wirtschaftsdiplomatie? Das sind unangenehme Fragen, die aber beantwortet werden müssen.

Öl: Eine Portion Nachdenklichkeit

Laut dem "Oil Market Report" (OMR) der Internationalen Energieagentur per November sind die Ölmärkte vor dem Winter ausgeglichen. Diese aktuelle Balance ergibt sich jedoch vor einem kritischen Hintergrund. Die Öllager weisen in den entwickelten Ländern den niedrigsten Stand seit 2004 aus.

Kommentar: Diese Einlassungen der IEA stimmen vor dem Hintergrund der Einführung des Ölembargos gegen Russland im Dezember/Februar nachdenklich. So heißt es in dem Report, dass damit auf das aktuelle Gleichgewicht Druck generiert würde, das gelte insbesondere für den Dieselmarkt. Der vorgeschlagene Preisdeckel könnte Druck auf der Preisseite nehmen, es würde in dem Kontext jedoch vielschichtige Unsicherheiten und logistische Herausforderungen geben. Dem stimme ich zu.

Fazit: Das Risiko, dass die Embargopolitik globalen Inflationsdruck mit der Notwendigkeit einer schärferen Gangart der Zentralbanken und damit globalen Konjunktur- und Wohlstandsschmerz als auch Armutsverbreitung (u.a. Entwicklungsländer) auslöst, ist ernst zu nehmen.

Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden

Eurozone: Keine neuen Erkenntnisse

Die Verbraucherpreise nahmen per Oktober gemäß finaler Berechnung im Monatsvergleich um 1,5% (Prognose 1,5%) zu. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 10,6% (Prognose 10,7%). Der aktuelle Wert stellt einen neuen Rekordwert dar. Die Kernrate der Verbraucherpreise verzeichnete per Oktober im Monatsvergleich einen Anstieg um 0,6% (Prognose 0,6%) und im Jahresvergleich um 5,0% (Prognose 5,0%). Die Bauleistung legte per September im Monatsvergleich um 0,09% nach zuvor -0,99% (revidiert von -0,63%) zu. Aggregiert ist das Bild schwach. Tendenziell geht es unter Schwankungen seit März 2022 abwärts.

UK: Stimmung etwas besser, aber immer noch prekär

Der GfK Konsumklimaindex legte per November von zuvor -47 (Allzeittief seit 1974) auf -44 Punkte zu.

USA: Schlechte Stimmung in Philadelphia

Neubaubeginne sanken per Oktober im Monatsvergleich um 4,2% von zuvor 1,488 auf 1,425 Millionen (Prognose 1,410 Mio., annualisierte Werte). Baugenehmigungen fielen per Oktober im Monatsvergleich um 2,4% von 1,564 auf 1,526 Millionen (Prognose 1,512 Mio., annualisierte Werte). Die Arbeitslosenerstanträge stellten sich in der Berichtswoche per 12. November 2022 auf 222.000 (Prognose 225.000) nach zuvor 226.000 (revidiert von 225.000). Der Philadelphia Fed Business Index sank per November von zuvor -8,7 auf -19,4 Punkte (Prognose -6,2).

Der Kansas Fed Composite Index verzeichnete per November einen Anstieg von -7 auf -6 Zähler.

Russland: Devisenreserven höher

Die Devisenreserven stiegen in der Berichtswoche per 11. November 2022 von zuvor 541,6 auf 552,1 Mrd. USD.

China: Abnehmende Dynamik bei Auslandsinvestitionen, aber weiter hohes Niveau

Ausländische Direktinvestitionen nahmen in dem Zeitraum Januar bis Oktober 2022 um 14,4% zu. In der Periode Januar bis September 2022 lag der Anstieg bei 15,6%.

Japan: CPI auf höchstem Niveau seit Mai 2014/Januar 1991

Die Verbraucherpreise legten per Oktober im Jahresvergleich um 3,7% nach zuvor 3,0% zu. Die Kernrate der Verbraucherpreise verzeichnete im Jahresvergleich einen Anstieg um 3,6% (Prognose 3,5%) nach zuvor 3,0%.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, dass bei dem Währungspaar EUR/USD eine neutrale Haltung favorisiert.

Viel Erfolg

© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe

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