Britische Wirtschaft taucht wieder ab – EU-Debatte belastet zusätzlich

 | 25.01.2013 11:33

Warum die Talfahrt des Britischen Pfunds erst begonnen hat

Nachdem der britische Premier Cameron und sein Schatzkanzler Osborne in den vergangenen Tagen noch vor Selbstbewusstsein strotzten und der Britischen Wirtschaft ein gutes Zeugnis ausstellten, kam heute nun die Quittung zumindest erst einmal für das bisher geleistete, nämlich für das vierte Quartal 2012. Wie nicht anders zu erwarten war, ist die Wirtschaft Großbritanniens wieder zurück im Abwärtstrend, nachdem das Vorquartal (da gab es noch ein Plus von 0,9 Prozent) unter anderem wegen der Olympischen Spiele aus dem Rahmen eines insgesamt enttäuschend verlaufenen Jahres fiel. Ein Minus von 0,3 Prozent bedeutet auch den Auftakt zu einem sogenannten „Triple-Dip“, die Briten stehen nun mit einem Bein, oder besser Quartal, in der dritten Rezession seit 2008. Und es spricht derzeit vieles dafür, dass auch das laufende Quartal ebenfalls kein Wachstum bringt.

Schon allein das Wetter in diesen Tagen könnte der fragilen britischen Wirtschaft einen Strich durch die Rechnung machen. Regelmäßige London-Flieger wissen, wovon ich spreche. Die Schnee unerprobten Briten können schon ein paar mehr Schneeflocken als normal aus dem Gleichgewicht bringen. Heftige Schneefälle und Temperaturen unter Null haben auch schon in der Vergangenheit für eine schrumpfende Wirtschaftsleistung in Großbritannien gesorgt. Da ich gerade mal mit einer Stagnation zum Jahresstart rechne, wird auch sehr entscheidend für eine Vermeidung der erneuten Rezession sein, wie lange das Winterwetter anhält.

Im Gegensatz zum Wetter, wo davon auszugehen ist, dass es sich im Jahresverlauf wieder ändert, will Großbritannien, wie von Finanzminister Osborne in Davos noch einmal bekräftigt, aber an seinem strikten Sparkurs, den damit verbundenen Steuererhöhungen und sinkenden Staatsausgaben festhalten. Forderungen vom Internationalen Währungsfonds (IWF), diesen aufzuweichen, erteilte er eine Absage. Der IWF hat in dieser Woche seine Wachstumsprognose für Großbritannien für 2013 auf 1,0 (von 1,1) Prozent und für 2014 auf 1,9 (von 2,3) Prozent gesenkt. Einzig für Japan unter den Industrienationen wurden die Erwartungen noch deutlicher zurückgenommen.

In Großbritannien sind Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen sehr skeptisch, was die Zukunft ihres Landes angeht. In einer zu Jahresbeginn durchgeführten Umfrage der EU-Kommission zur Wirtschaftsstimmung und zum Verbrauchervertrauen war Großbritannien unter den Großen das einzige Land, in dem sich das Klima weiter verschlechtert hat. Skeptisch sind viele Briten auch, was das Thema Europa und Europäische Union angeht. Aber ob der nun vom Premier Cameron verschärfte Konfrontationskurs mit dem größten Handelspartner (50 Prozent aller Exporte gehen in die EU) die Stimmung im Land aufzuhellen vermag, darf bezweifelt werden. Die schon fast erpresserische Vorgehensweise Camerons ist wohl eher dem Wahlkampf als einem tatsächlichen vernünftigen Plan geschuldet, schließlich leidet gerade seine Partei unter der aktuellen Situation auf der Insel.

Am Ende könnte sich diese Diskussion als höchst kontraproduktiv erweisen. Ich halte die Wahrscheinlichkeit für einen Austritt Großbritanniens aus der EU nicht für sehr hoch, aber die Unsicherheit darüber, ob das Land in vier Jahren noch dazu gehört oder nicht, könnte sowohl inländische als auch vor allem ausländische Investoren einmal mehr über geplante Projekte nachdenken lassen. Und das gerade in einem Land, welches genau genommen nur von einer Branche wirklich getragen wird, der Finanzbranche. Und die steht aktuell alles andere als rosig da. Über 130.000 der rund eine Million Arbeitsplätze wurden hier seit der Finanzkrise gestrichen, allein im vierten Quartal waren es 25.000.

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Am Rande bemerkt schlägt sich sogar diese Branche auf die Seite der EU-Befürworter. Das Argument dabei, Brüssel könne ohne ein Veto der Briten die Finanzmärkte im Zweifel noch stärker an die Leine nehmen und damit dem Finanzplatz London schaden, ist nicht von der Hand zu weisen. Bleibt man in der EU, kann man zumindest die schlimmsten Regeln vielleicht noch verhindern.

Apropos Finanzmärkte: Ein Blick auf die Entwicklung des Britischen Pfunds gerade in den vergangenen Tagen spricht Bände. Nun will ich nicht behaupten, dass der gesamte Abschlag auf das Konto der von Cameron neu entfachten EU-Debatte geht. Schaut man sich aber mal besonders die Entwicklung des Euros gegenüber dem Pfund an, steht es zumindest in diesem Punkt 1:0 für Europa. Nein, das schwache Pfund spiegelt wie von mir auch schon oft an dieser Stelle erwähnt die oben beschriebene wirtschaftliche Verfassung des Landes wider.

Gestützt haben das Pfund in den vergangenen Monaten noch die guten, wenn auch mit Sondereffekten belasteten Daten zum dritten Quartal und eine Politik der Notenbank, die aufgrund einer Inflation über dem Ziel von zwei Prozent und Zweifel an der Effektivität expansiver geldpolitischer Maßnahmen eher als zurückhaltend beschrieben werden kann.

Während vor allem die USA und Japan die Schleusen soweit öffneten wie noch nie zuvor, mahnte die Bank of England mit ihrem derzeitigen Chef Mervyn King zur Zurückhaltung. Das sorgte zumindest gegenüber Dollar und Yen für eine höhere Attraktivität des Pfunds als sicherer Hafen. In diesem Punkt ist eine Änderung der Haltung spätestens ab Juli zu erwarten, wenn es zu einem Wechsel an der Spitze hin zu Mark Carney kommt. Dieser ist jetzt noch Chef der kanadischen Notenbank und steht genau wie sein US-Kollege Ben Bernanke eher für eine Kreditfinanzierung aus der Notenpresse, was dafür gesorgt hat, dass die kanadischen Haushalte jetzt annähernd so hoch verschuldet sind wie die in den USA vor der Subprime-Krise.

Weiter sich nicht verbessernde wirtschaftliche Daten in den nächsten Monaten, gepaart mit der Aussicht auf dann notwendige weitere geldpolitische Maßnahmen, sollten das Pfund weiter schwächen. Allerdings favorisiere ich für ein solches Engagement nicht das Währungspaar EUR/GBP. Erstens ist dieses gerade in den vergangenen Monaten schon sehr gut gelaufen und zweitens bin ich auch noch ein wenig skeptisch, was die Lage in der Eurozone angeht. Da lohnt es sich in meinen Augen eher, einen Blick auf das so genannte „Cable“ zu werfen.

Zu recht drei Mal abgeprallt an der Marke von 1,63 GBP/USD hat es jetzt den Rückwärtsgang eingelegt. Für die amerikanische Geldpolitik erwarte ich in diesem Jahr aufgrund einer wieder anziehenden Konjunktur eher leichte verbale Verzögerungen der expansiven Schritte, was den Dollar im Jahresverlauf stärken sollte. Kurse um 1,5250 GBP/USD sollten daher nur ein Zwischenziel auf dem Weg zu einem weiter schwächeren Pfund auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten darstellen.