Brexit-Referendum ist nicht nur schwarz und weiß

 | 23.06.2016 14:26

Die Händler sollten die Knappheit der Abstimmung und die ungewissen nicht-linearen Szenarien im Kopf haben (von Peter Rosenstreich)

Nach dem anscheinend endlosen Warten auf das britische EU-Referendum zur EU-Mitgliedschaft ist es heute endlich so weit. Und wir sind voller nervöser Erwartung. Die Finanzmärkte sind selten einem so wichtigen binären Ereignis ausgesetzt. Auch wenn wir weiter glauben, dass das Ergebnis einem Münzwurf gleichkommt, so signalisieren die Märkte, dass die Befürworter für den Verbleib in der EU die Nase vorne haben. Der GBP/USD hat 1,4844 erreicht, ein Sechsmonatshoch, während die Quotenmacher die Wahrscheinlichkeit für einen Verbleib in der EU mit 76% angeben. Sogar die kurzfristige Volatilität des GBP ist von ihren Höchstwerten deutlich heruntergekommen, was eine Entscheidung, um jeden Preis auf Schutz zu setzen, sinnlos macht. Wir gehen davon aus, dass die Marktvolatilität weiter nachlassen wird und dass die Kursbewegungen bis 21:00 GMT konsolidieren werden. Das könnte als Geisterstunde gelten, da nachher Gerüchte, Hörensagen und Nachrichten eine übermäßige Volatilität auslösen könnten, die zu illiquiden Bedingungen und zu Preisverlagerungen führen könnte. Wir raten den Kunden, beim Handel extrem vorsichtig zu sein. Einer der ersten Wahlbezirke, der ein Ergebnis bekannt geben wird, sollte Sunderland sein, und dies sollte als ein Indikator gelten. Sollte es in Sunderland ein knappes Ergebnis oder eine klare Mehrheit für den Verbleib geben, so wird man davon ausgehen, dass die Stimmen für einen Verbleib in der EU allgemein triumphieren werden. Bis 06:00 GMT sollten 80% der offiziellen Stellen die Ergebnisse verkündet haben, und damit sollte es eine klarere Sicht auf das Resutat geben.

Das hört sich nach unserer Meinung jedoch zu adrett und sauber an. Wir müssen uns auch andere Möglichkeiten vorstellen und nicht lineare Prozesse einkalkulieren, obwohl wir eigentlich von einem ordentlich verlaufenden Prozedere ausgehen. Es könnte zu Streitigkeiten beim Umfrageprozess kommen, denken Sie nur an die "Hanging Chads" in Florida bei der Präsidentenwahl 2000 zurück. Es gibt auch viele Fälle in der Vergangenheit, bei denen ein Referendum rechtlich nicht bindend war. Der US-Kongress hat TARP während der Finanzkrise abgelehnt, um es dann nach einigen Tagen mit 90% zu verabschieden. Auf ähnliche Weise wurden in Griechenland und der Ukraine demokratisch von den Wählern zustande gekommene Referenden vollständig ignoriert. Wir können diese Möglichkeiten also nicht ausschließen. Wenn Sie also handeln, müssen Sie an die Knappheit der Abstimmung und diese nicht linear verlaufenden Aspekte denken.

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Mit diesen Überlegungen im Hinterkopf ist unser ursprünglicher Trade für das Brexit-Votum nichts Revolutionierendes, sondern der Verkauf des GBP und des EUR und der Kauf von traditionell als sicherer Hafen geltenden Währungen wie dem USD, JPY und CHF (umgekehrte Trades im Fall des „remain“). Trades der zweiten Ebene würden sich darauf konzentrieren, diejenigen Währungen zu verkaufen, die wichtige Handelsbindungen in beiden Ländern haben, da wir aufgrund der unmittelbar bestehenden Unsicherheiten von einer Schrumpfung des Wachstums ausgehen. Das bedeutet ein Risiko für den NOK, PLN und SEK. In diesem Szenario zweifeln wir daran, dass Gegenfaktoren wie der Status als sicherer Hafen und die Korrelation zu den Ölpreisen den SEK und NOK von einem unmittelbaren Abverkauf schützen werden. Zuletzt konzentrieren wir uns auf die globale Risikosensitivität, wo der MXN, TRY und ZAR bei einer Risikovermeidungshaltung am anfälligsten scheinen. In Bezug auf die Zinsen werden die Anleger die US-Treasuries bevorzugen, da Deutschland Zinsen unter Null hat. Sie werden daher die höheren Nominalrenditen am längeren Ende der US-Kurven bevorzugen, was die Renditekurven weiter abflachen lassen und dem USD zu einem Anstieg verhelfen wird.

Denken Sie daran, vorsichtig zu handeln, da niemand genau weiß, was zu erwarten ist!

Norwegen: Einlagenzinsen bleiben bei 0,5% (von Yann Quelenn)

Heute ist der Tag X und alle Augen sind auf das Brexit-Votum gerichtet, so dass die Zinsentscheidung in Norwegen kein viel beachtetes Ereignis war. Die Finanzmärkte hatten die Tatsache, dass die Norges Bank die Zinsen unverändert bei 0,5% belassen wird, bereits eingepreist. In der Tat glauben wir aufgrund der globalen Unsicherheiten in der Europäischen Union, dass die Norges Bank auf die Brexit-Ergebnisse warten wird, bevor sie ihre Geldpolitik anpasst. Die Brexit-Abstimmung ist ein wahrer Münzwurf und der Ausgang ist für beide Seiten immer noch schwierig zu beurteilen.

Wir glauben jedoch, dass eine Reaktion der norwegischen Zentralbank nach dem Brexit-Referendum definitiv möglich ist. Dies sollte dann auch die Tatsache berücksichtigen, dass die Erholung bei den Ölpreisen nachgelassen hat, aber auch, dass ein Barrel Brent weiter um die 50 USD liegt. Die Tatsache, dass der Ölpreis um diesen Wert stagniert, hat die Nachfrage nach dem NOK gesenkt. Wir gehen jedoch weiter davon aus, dass die globale Nachfrage nach dem schwarzen Rohstoff zum laufenden Angebot passen sollte und folglich, dass die globale Nachfrage weiter steigen sollte. Wir denken daher, dass die Währungshüter die Zinsen senken werden, um der steigenden Nachfrage nach dem NOK mittelfristig vorzugreifen.

Darüber hinaus scheint uns klar, dass das allgemeine Umfeld niedriger und negativer Zinsen die Währungshüter zu Anpassungen veranlassen wird, da sonst massive Geldzuflüsse und eine starke Aufwertung der Währung drohen. Die Bedrohung der Preisstabilität macht auch in Norwegen große Sorgen. Die Inflation ist weiter sehr stark. Die letzten Inflationszahlen für Mai lagen zum Anfang des Monats bei 3,3% und damit über den Erwartungen – und immer noch über dem Inflationsziel der Bank von 2,5%. Norwegen wartet wie viele andere Länder ab, ist aber bereit, zu handeln.