Börsenampel dreht auf "gelb" - Krise erreicht Arbeitsmarkt - IW: Dilemma der EZB

 | 27.10.2022 12:57

Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.0070 (05:51 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 0,9953 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 146,18. In der Folge notiert EUR-JPY bei 147,22. EUR-CHF oszilliert bei 0,9932.

Finanzmärkte: Börsenampel dreht auf "gelb"

Die DAX-Börsenampel dreht auf "Gelb", nachdem der DAX auf Tagesschlussbasis das Niveau von 13.100 Punkten überbieten konnte. Was sind die Hintergründe? Die Gasversorgungslage ist besser als vor Monaten unterstellt. Die Gaspreise als auch andere Rohstoffpreise kommen zurück. Zinserhöhungserwartungen sinken ansatzweise. Kapitalmarktrenditen stehen unter Druck. 10 jährige Bunds rentieren mit 2,14%, 10 jährige US-Treasuries mit 4,02%. Gestern erhöhte die Bank of Canada nur um 0,50% (Prognose 0,75%). Mit Spannung erwarten wir vor diesem Hintergrund die EZB-Ratssitzung (0,75% favorisiert). Erhöhte Risikofreude belastet den USD, er steht unter Druck.

Krise erreicht langsam den Arbeitsmarkt

Die Bereitschaft der Unternehmen in Deutschland zu Neueinstellungen ist angesichts der drohenden Rezession so schlecht wie seit anderthalb Jahren nicht mehr. Das Beschäftigungsbarometer des IFO-Instituts fiel per Oktober um 1,7 auf 97,7 Punkte. Damit wurde der niedrigste Wert seit April 2021 markiert. Seinerzeit belastete die Corona-Pandemie die Konjunktur stark.

Kommentar: Arbeitsmarktdaten sind nachlaufende Wirtschaftsindikatoren. Die Umfrage belegt, dass es zu einem Stimmungswechsel kommt. Sollten sich die durch unsere Politik bedingten massiven Verschlechterungen der Terms of Trade für Deutschland und Europa fortsetzen, dann wird der Arbeitsmarkt geschliffen.

Die Ankündigung von BASF (ETR:BASFN), den deutschen Standort zu verschlanken, sollte in den Ohren klingen, denn der Standort ist durch die erhöhten Belastungen insbesondere im Energiesektor nicht mehr konkurrenzfähig. Derartige Maßnahmen wirkten nicht nur auf BASF selbst, sondern auf die Zulieferer, die Dienstleister und den ganzen irtschaftsraum wegen geringerer verfügbarer Einkommen. Auch der Staat hätte geringere Einnahmen.

Wollen wir in Deutschland bei vollem politischen Bewusstsein wirklich eine Negativspirale für dieses Land und Europa lostreten? Keiner kann sagen, dass man das alles nicht wissen konnte. Es gibt genügend Fachleute, die diese Zusammenhänge über die letzten Monate thematisierten.

IW Köln zum Dilemma der EZB

Die EZB kann die Inflation mit steigenden Zinsen nur in begrenztem Umfang bekämpfen. Gegen einen großen Teil der aktuellen Inflation sei die Geldpolitik machtlos.

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Für die Kalkulation der Inflationsrate diene ein Warenkorb, der zu 51,9% aus zumeist von der Angebotsseite beeinflussten Gütern bestimmt sei. Deren Preissteigerungen seien auf gestiegene Energie- und Rohstoffkosten und unterbrochene Lieferketten zurückzuführen. Gegen diese Bestimmungsfaktoren der Inflation hätte es die Geldpolitik schwer.

Kommentar: Gegen von außen wirkende Inflationskräfte haben Zentralbanken keine potenten Mittel. Da deckt sich die Studie des IW mit unseren Einlassungen zu diesem Themenkomplex. Dieser Sektor mit 51,9% Anteil des Warenkorbs ist der primäre Inflationstreiber. Die Außenpolitik hätte hier sehr viel mehr "Leverage" als eine Zentralbank.

Zusätzlich sei der Warenkorb zu 56,9% von nicht-handelbaren Gütern bestimmt. Dazu zählten Wohnungsmieten, die mit 21% den Verbraucherpreisindex beeinflussen. Dort ergab sich ein Anstieg um lediglich 1,6% wegen des hohen Anteils an Bestandsmieten. Mieten seien kein Inflationstreiber. Ergo wirkten sich Zinserhöhungen hier kaum oder nicht entlastend aus.

Kommentar: Das ist auf kurze Sicht so. Zudem gibt es gesetzliche Eingriffe bezüglich Mieterhöhungen. Entsprechend hinkt das Thema Miete bezüglich Inflation hinterher.

Höhere Zinsen würden stärker auf die Nachfrage nach Wohnraum, Möbeln, langlebigen Konsumgütern und nach Freizeit- und Kulturdienstleistungen wirken. Der Anteil dieser Güter beläuft sich auf 39,3% des Warenkorbs. Ihre Inflationsrate betrage aktuell 2,8%.

Kommentar: Bei Verlust der Kaufkraft der Einkommen der Bürger und Gefahren für den Arbeitsplatz (z.B. aktuell in und um Ludwigshafen wegen BASF Ankündigung) nimmt Nachfrage nach diesen Gütern zuerst ab. Das senkt den Preisdruck zunächst, die Betonung liegt auf zunächst.

Das IW hält eine restriktive Geldpolitik für wichtig. Es ginge darum, die Inflationserwartungen zu stabilisieren, um eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern, welche die sehr persistenten Inflationsraten für längere Zeit hoch halten könnte.

Kommentar: Ich stimme dem IW zu. Dabei geht es gerade hinsichtlich der Verankerung der Inflationserwartungen darum, das verlorene Vertrauen durch eine in der jüngeren Vergangenheit fehlgeleiteten Zentralbankpolitik wiederzugewinnen. Ich korrigiere den IW in einem Punkt. Es handelt sich um das Risiko der Preis-Lohn-Spirale, denn die erhöhten Preise sind der Anfangspunkt und der Anfangspunkt hängt zu großen Teilen an der Außenpolitik Deutschlands und der EU. Erkennbar ist das daran, dass die Länder, die sich dem Sanktionsmodus verschlossen haben, nicht unsere Preisprobleme haben, die für das EZB-Dilemma verantwortlich sind. Sie wollen Beispiele? Gerne!