Börse: Probleme beim News-Trading

 | 08.06.2023 10:41

Nachdem wir am 20. April um Feedback zum kostenlosen Newsletter „Börse-Intern“ und den Börsenbriefen von Stockstreet gebeten hatten, erreichte mich eine interessante Mail. Darin schrieb ein Leser, dass es an den Märkten eine Menge an Zusammenhängen gäbe, die man für rentable kurzfristige Trades nutzen könne. Als Beispiel nannte er die Veröffentlichung der Geschäftszahlen und des Ausblicks von JP Morgan am Freitag, dem 14.04.2023, woraufhin auch die Kurse anderer Banken (Commerzbank (ETR:CBKG), Deutsche Bank (ETR:DBKGn)) gestiegen seien. Und wenn „man auf derartige Zusammenhänge hinweisen würde, würde es [..] potentiellen Kunden entweder Leid ersparen oder Gewinne bescheren“, wenn ein Börsenbrief dafür eine Handelsstrategie im Vorfeld in der Schublade haben würde, so der Leser. Ich antwortete am Samstag wie folgt:h2 Probleme beim News-Trading/h2

Zu Ihrem Beispiel mit den Bank-Aktien (NASDAQ:KBWB) und der [..] Kursreaktion kann ich Ihnen ebenso Beispiele nennen, wo Aktien trotz positiver Unternehmensmeldung deutlich nachgegeben haben – nach dem Motto: "Sell on good news" oder "By the rumors, sell the facts". Daher ist es leider wenig hilfreich, auf bestimmte Ereignisse hinzuweisen, in der Hoffnung, zuvor bereits zu wissen, wie die Kurse darauf reagieren werden.

Auch die Kursreaktion auf den US-Arbeitsmarktbericht von Freitag war so nicht unbedingt zu erwarten. Denn er fiel im Hinblick auf die neu geschaffenen Stellen weit besser aus als erwartet. Das hätte Zinssorgen auslösen können. Doch stattdessen blickten die Anleger entweder auf die gestiegene Arbeitslosenquote, die Zinssorgen dämpfen konnte, oder auf die Stärke des Arbeitsmarktes, der gut für die Wirtschaft und die Gewinne der Unternehmen ist. Jedenfalls interpretierten sie die Daten positiv, und so stiegen die Aktienkurse.

Leider gibt es also keine Handelsstrategie, mit der man sinnvoll auf bestimmte Marktereignisse im Vorfeld setzen könnte. Wäre das so einfach, würde jeder an der Börse reich werden.

Grundsätzlich wird in den Stockstreet-Börsenbriefen aber natürlich auf bestimmte Markt- und Unternehmensentwicklungen hingewiesen, auf die dann auch mit entsprechenden Trades gesetzt wird. Nur stehen dabei nicht einzelne Ereignisse im Fokus, sondern Entwicklungen, von denen man ausgehen kann, dass sie sich fortsetzen und damit einen Einfluss auf den Kurs haben.

h2 Fördermengenkürzung der OPEC ohne nachhaltigen Effekt auf den Ölpreis/h2

Inzwischen kann ich ein weiteres Beispiel für eine Marktreaktion auf ein bestimmtes Ereignis nennen, die wohl nicht unbedingt zu erwarten war: Am Sonntag wurde gemeldet, dass sich die Öl-Förderländer der OPEC+ darauf verständigt haben, die im April beschlossene Fördermengenkürzung bis ins Jahr 2024 zu verlängern.

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Im Oktober 2022 hatte die OPEC+ bereits die Kappung der Produktion um 2 Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag vereinbart. Angesichts sich verschlechternder Wirtschaftsaussichten wurde im April dann überraschend zusätzliche Förderkürzungen um 1,66 Millionen Barrel pro Tag ab Mai vereinbart, die zunächst bis zum Ende des Jahres gelten sollten. Nun will die OPEC+ im kommenden Jahr rund 40 Millionen Barrel (je 159 Liter) am Tag fördern, was nach Berechnungen der russischen Agentur Tass eine Kürzung der gesamten Fördermenge um 1,39 Millionen Barrel pro Tag bedeutet.

Eigentlich sollte eine solche Meldung über eine Angebotsverknappung den Ölpreis nach oben treiben. Und in einer ersten Reaktion tat sie das auch. Der Ölpreis der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg am Montag zunächst um mehr als 3 %. Doch am Ende des Tages blieb davon nichts mehr übrig (siehe gelbe Ellipse im folgenden Chart). Und am Dienstag legte der Ölpreis sogar wieder den Rückwärtsgang ein.