Angst vor dem Entzug – Finanzmärkte zittern nun vor allen Zahlen

 | 06.06.2013 11:50

Wann die US-Notenbank von „ultra-locker“ auf nur noch „locker“ umschaltet

Ob die amerikanischen Indizes zur Stimmung in der Industrie oder im Dienstleistungssektor (ISM), die Auftragseingänge, die Arbeitskosten und gestern dann mit den US-Arbeitsmarktzahlen im privaten Sektor die große Generalprobe zu den am morgigen Freitag anstehenden Zahlen zum Gesamtmarkt, jede neue Zahl wird von den Investoren mit Argusaugen beobachtet und soll Aufschluss über die zukünftige Politik der US-Notenbank (Fed) geben.

Das Problem nur, nach der Veröffentlichung sind die Anleger meist genauso schlau wie vorher. Denn selbst alle Zahlen zusammen genommen zeichnen ein sehr gemischtes Bild der amerikanischen Wirtschaft und für mich lässt sich nur eines feststellen: Die konjunkturelle Situation in den USA hat sich in den vergangenen sechs Monaten, seit dem die Fed entschieden hat, jeden Monat 85 Milliarden US-Dollar in den Markt zu pumpen, nicht wirklich entscheidend verbessert. Und deshalb gibt es zum jetzigen Zeitpunkt, was konkret das nächste Treffen des Offenmarktausschusses am 18. Juni angeht, auch keinen Grund, warum die Notenbank ihren Kurs ändern sollte.

Richtig ist, dass es seitens der Währungshüter auch langsam mal Zeit wird, darüber nachzudenken, wie hoch der Preis am Ende für eine solche Geldpolitik sein kann und wie groß die Risiken eines Ausstiegs sind. Und da sich die Fed auf ihre Fahnen das Wort Transparenz geschrieben hat, lässt sie die Finanzmärkte an ihren Überlegungen durch eine geschickte Kommunikationspolitik teilhaben.

Dadurch hat sie zumindest erreicht, dass wir es seit gestern beim Dow Jones wieder mit der Marke von 15.000 Punkten zu tun haben, nachdem vor dem letzten Auftritt des Notenbank-Präsidenten Bernanke vor zwei Wochen noch alle davon ausgegangen sind, dass auch die 16.000 Punkte nur eine Frage von Tagen sein werden. Die in meinen Augen völlig normale Korrektur dieser Tage lässt nur etwas Dampf aus dem Kessel voller Euphorie entweichen. Das Ergebnis dieser war eine Einbahnstraße, auf der sich die Aktienmärkte in den vergangenen Monaten befanden.

US-Arbeitsmarkt noch weit vom Notenbank-Ziel entfernt
Wie viel Dampf noch entweichen wird oder erneut auf den Kessel kommt, hängt dann auch wieder davon ab, welche Zahl morgen um 14.30 Uhr veröffentlicht wird. Nach der gestrigen Enttäuschung der neu geschaffenen Stellen in der Privatwirtschaft, die mit 135.000 die Erwartungen um 30.000 neue Jobs verfehlt haben, werden für morgen, was den gesamten Arbeitsmarkt angeht, 170.000 neu geschaffene Stellen außerhalb der Landwirtschaft erwartet.

Nun ist, wenn man sich die Zahlen für den Monat April anschaut, nicht unbedingt aus der schwächeren Mittwoch-Zahl auf eine dann auch schwache Freitags-Zahl zu schließen. Denn vor einem Monat verfehlten die privaten Stellen mit 119.000 die erwarteten 150.000, dennoch erlebten wir zwei Tage später eine positive Überraschung mit 165.000 statt erwarteten 145.000 Stellen.

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Ich gehe dennoch davon aus, dass morgen die Erwartungen verfehlt werden. Gerade die öffentlichen Arbeitgeber üben sich seit einigen Wochen in berechtigter Zurückhaltung, was die Schaffung neuer Arbeitsplätze angeht, denn sie müssen sparen, was ein Ergebnis der hohen Staatsverschuldung der USA ist. Sollten zudem noch die Zahlen für April nach unten korrigiert werden, was durchaus auch schon vorgekommen ist, wären die Zutaten für ein erneutes kurzfristiges Umdenken, was die Fed-Politik angeht, perfekt.

Das hält dann entweder bis zur nächsten Indikation oder den Äußerungen eines weiteren Notenbank-Gouverneurs, der wieder Drosselungen der Anleihekäufe nicht ausschließt. Auf lange Sicht dürfen wir nicht vergessen, dass die Fed eindeutig das Ziel einer Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent ausgegeben hat. Um das Ziel bis Ende 2014, also Ende kommenden Jahres zu erreichen, wären dafür jeden Monat über 200.000 neu zu schaffende Arbeitsplätze nötig. Der Durchschnitt der vergangenen sechs Monate lag bei 189.000.

Auch andere Indikatoren zeigen Licht und Schatten. So stieg zwar der ISM-Index zur Stimmung im US-Dienstleistungssektor gestern auf leicht über den Erwartungen liegende 53,7 Punkte, sein Pendant aus der Industrie enttäuschte allerdings zu Beginn der Woche auf ganzer Linie. Er verfehlte nicht nur die Erwartungen von 50,7 Punkten, sondern landete mit gerade einmal 49 Punkten sogar unter der Schwelle, die eine Expansion der Wirtschaft andeutet. Dafür sind weltweit schon mal die Börsen eingebrochen, als dieser für China veröffentlicht wurde, wir erinnern uns. Auch eine Inflation, welche die Fed zu einer früheren Kehrtwende zwingen würde, ist weit und breit nicht zu sehen. Springt diese nicht an und liegen die monatlichen Stellenzuwächse weiter unter der Marke von 200.000, wird die US-Notenbank weder ihre Anleihekäufe drosseln noch an der Zinsschraube drehen. Letzteres erwarte ich übrigens nicht vor dem Jahr 2015.

US-Staatsanleihen gewinnen wieder an Attraktivität
Interessant ist der Blick auf die Entwicklung der amerikanischen Anleiherenditen in diesen Tagen. In Erwartung einer restriktiveren Geldpolitik der Notenbank bekommt man für 10jährige Staatspapiere schon wieder über zwei Prozent Zinsen. Damit liegen die Renditen schon wieder deutlich über der Inflation, was ein Investment in Anleihen nicht mehr ganz so unattraktiv macht. Darüber schließt sich dann auch der Kreis wieder zu den Aktienmärkten.

Steigen die Zinsen weiter, verlieren Aktien ihre bis dahin existierende Alternativlosigkeit. Nur wenn dann auch die zu erwartenden Kurssteigerungen durch steigende Unternehmensgewinne Schritt halten können, sind sie im Vergleich zu festverzinslichen Papieren konkurrenzlos günstig. Bis die Frage geklärt ist, wer schneller ist, die Konjunkturerholung oder die Fed beim Betätigen ihres Exit-Knopfs, werden wir in den nächsten Wochen sehr volatile, aber mit Blick auf das vor uns liegende Sommerloch eher seitwärts tendierende Aktienmärkte erleben.

Für kurzfristig agierende Anleger ergeben sich aber gerade daraus gute Chancen, das Spiel der Zahlen mitzuspielen. Hier die Anleitung: Gute Zahlen bedeuten im Moment mal wieder eher fallende Kurse aus der Angst heraus, die Fed müsste reagieren, schlechte beruhigen die Märkte eher, weil sie die Droge Liquidität brauchen wie wir die Luft zum Atmen.