Berlin (Reuters) - In die monatelangen Beratungen von Bund und Ländern über die vom Verfassungsgericht geforderte Grundsteuerreform für Immobilien kommt Bewegung.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erklärte die Konsultationen mit seinen Länderkollegen am Donnerstag für beendet und sprach von einem "vernünftigen Ergebnis". Er werde nun einen Gesetzentwurf ausarbeiten. Hessens Finanzminister Thomas Schäfer sprach von einem Kompromiss, der "administrierbar und handlebar" sei. "Wir fassen nicht mehr jedes Grundstück an, wir erheben nicht mehr jede einzelne Miete", sagte der CDU-Politiker. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder nannte das Konzept dagegen "nicht zustimmungsfähig". Neu vereinbart wurden Vergünstigungen im sozialen Wohnungsbau.
Über die Grundsteuer fließen jährlich rund 14 Milliarden Euro in die Kassen der Kommunen. Etwa 35 Millionen Grundstücke sind davon betroffen. Das Bundesverfassungsgericht hatte im April 2018 wegen veralteter Bemessungswerte eine Reform gefordert und dafür eine Frist bis Ende 2019 gesetzt.
SCHOLZ VERWEIST AUF ABLEHNUNG BAYERNS
Im Kern läuft es nach Angaben aus Teilnehmerkreisen auf eine wertabhängige Grundsteuer hinaus, in die etwa Alter des Gebäudes, Bodenrichtwerte und eine Durchschnittsmiete einfließen würden. Dafür hatte Scholz plädiert. Andere wollten sich an einem Flächenmodell ausrichten. Bayerns Finanzminister Albert Füracker forderte in der "Rheinischen Post" vom Freitag erneut eine "Einfach-Grundsteuer" auf Grundlage der Grund-, Boden-, Wohn- und Nutzfläche. Söder sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Zuständigkeit für die Grundsteuerreform solle Scholz entzogen werden und an den Koalitionssausschuss von CDU, CSU und SPD gehen: "Wir können uns eine regionale Öffnungsklausel vorstellen." Die Koalitionsspitzen sollten am Abend tagen.
Auch aus der Unions-Fraktion im Bundestag wurde Ablehnung laut. "Scholz wird mit dem Versuch scheitern, seinen Willen mit dem Kopf durch die Wand durchzusetzen", erklärte CSU-Politiker Hans Michelbach. Der Finanzminister habe noch nicht einmal die verfassungsrechtlichen Bedenken ausräumen können. In der CDU in Fraktion hieß es: "Scholz wird den Gesetzentwurf nicht einmal durch das Kabinett bekommen."
Scholz selbst nannte keine Details, machte aber deutlich, dass er nicht mit einem Ende der Diskussionen rechnet. "Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses würden sicher "an dem einen oder anderen Punkt Verbesserungen" vorgeschlagen. Aus Bayern gebe es noch grundsätzliche Bedenken, "ob man nicht einen komplett anderen Pfad beschreiten soll", sagte Scholz.
SCHÄFER: NIEMAND WIRD WEGEN MEHRBELASTUNG INSOLVENT
Insgesamt soll die Reform für die Steuerzahler nicht zu einer Mehrbelastung führen. Hessens Finanzminister Schäfer machte aber deutlich, dass es für den Einzelnen günstiger oder teurer werden könne. Die Mehrbelastung halte sich aber in Grenzen: Es werde niemand "Privatinsolvenz anmelden müssen, weil es teurer wird". Schäfer ist auch Vorsitzender der Konferenz der Finanzminister. Es sei gelungen, das ursprünglich von Scholz vorgeschlagene Modell "sehr, sehr deutlich zu entbürokratisieren". Für den Sozialwohnungsbau werde es Abschläge von der Steuerbelastung geben.
Der Vorschlag für Steuerabschläge für sozialen Wohnraum ergänzt die Eckwerte, auf die sich die Finanzminister bereits im Februar im Grundsatz verständigt hatten. Das Reuters vorliegende Papier für eine "Grundsteuervergünstigung zur Wohnförderung" sieht vor, dass die Grundsteuermesszahl reduziert werden kann - etwa im sozialen Wohnungsbau, für Wohnungsgenossenschaften sowie Wohnungsbaugesellschaften in öffentlicher Hand.
Sachsen-Anhalts Finanzminister Andre Schröder (CDU) sprach von einer Chance für eine "mehrheitlich im Länderverbund getragene Reform". Die vereinbarten Eckpunkte seien ausdrücklich keine Vorwegnahme einer Zustimmung im Gesetzgebungsverfahren. Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) erklärte, eine klare Mehrheit der Finanzministerrunde sei für ein wertabhängiges Modell. Sie warf Bayern vor, Sand ins Getriebe zu werfen mit dem Ziel, "die Belastung wertvoller Immobilien möglichst gering zu halten".