Investing.com - Deutschland gilt als Motor Europas, aber die Rezessionsrisiken wachsen. Reihenweise senken Analysten die Daumen. Der Grund: die deutsche Wirtschaft ist nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im zweiten Quartal um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal geschrumpft.
Die Ursachen der Wachstumsverlangsamung sind zum einen der schwächelnde Exportmarkt als auch die tobenden Handelskriege zwischen den USA und China sowie zwischen Japan und Südkorea. Aber auch die Unsicherheit rund um den Brexit bremst die deutsche Wirtschaft.
Gestern hatte die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht gewarnt, dass Deutschland in eine Rezession fallen könnte. In dem Bericht hieß es, dass die deutsche Konjunktur voraussichtlich auch im Sommer 2019 schwunglos bleiben werde. "Die gesamtwirtschaftliche Leistung könnte erneut leicht zurückgehen. Ausschlaggebend dafür ist der weiter anhaltende Abschwung in der Industrie."
Mit Blick auf dem Arbeitsmarkt sieht die Bundesbank erste Spuren der Konjunkturflaute, aber die Einkommensperspektiven der privaten Haushalte seien immer noch günstig, hieß es in dem Bericht. "Für die weitere Entwicklung wird entscheidend sein, wie lange sich die gegenwärtige konjunkturelle Zweiteilung noch fortsetzt und in welche Richtung sie sich auflöst. Aus heutiger Perspektive ist offen, ob sich die Exporte und damit die Industrie fangen, ehe die Binnenkonjunktur in stärkerem Maß in Mitleidenschaft gezogen wird."
Das Research der Deutschen Bank (DE:DBKGn) findet sogar, dass die deutsche Wirtschaft bereits in eine technische Rezession gefallen ist. Sinkt die Wirtschaftsaktivität zwei Quartale hintereinander, sprechen Volkswirte von einer "technischen Rezession". Zuletzt geschah das Ende 2012. "Wir erwarten für Q3 eine Kontraktion des BIP um 1⁄4%. Außerdem haben wir unsere Prognose für 2019 auf 0,3% zurückgenommen", schreibt die Deutsche Bank in ihrer jüngsten Studie mit dem Titel "Nur eine "Technische Rezession"? Die Risiken sind entscheidend!".
Die Talfahrt der deutschen Industrie dürfte sich laut der Deutschen Bank im dritten Quartal noch verschärfen. Grund dafür sei der "Trend der harten Daten, insbesondere die anhaltend schwachen Auftragseingänge und der Produktionsrückgang".
Gleichzeitig senkte das deutsche Bankhaus seine Prognose für 2020 auf 0,7%, da es keine Hinweise auf eine Belebung in den kommenden Quartalen gebe, fuhren die Experten fort. Vielmehr verstärken sich derzeit mehrere negative Entwicklungen gegenseitig, die für eine Rezession typisch seien: "Gewinnwarnungen, Ankündigungen von Stellenstreichungen und zunehmende Volatilität an den Finanzmärkten."
In den USA sehen Ökonomen indes eine Rezession kommen aufgrund der Inversion der US-Zinskurve, während in China, dem Nummer 1 Exportmarkt für Deutschland, die Daten im Juli weiterhin von Schwäche geprägt sind. Ein Ende der Talfahrt der deutschen Wirtschaft ist damit noch nicht absehbar.
Die Deutsche Bank rechnet zwar angesichts der vielen Unsicherheiten mit einer Lockerung der Geldpolitik durch die EZB, aber sie erwarten, dass "diese Maßnahmen den Abwärtstrend lediglich verlangsamen und nicht umkehren können."
Für September geht die Deutsche Bank davon aus, dass die EZB 1) den Einlagensatz um 10 Basispunkte senkt, 2) einen so genannten Staffelzins einführt sowie 3) einen weiteren Zinsschritt tim Dezember signalisiert. In ihrem Basisszenario geht das Bankhaus außerdem davon aus, dass die Europäische Zentralbank 4) eine Neuauflage des Kaufprogramms bekannt geben wird. "Wir rechnen mit einem monatlichen Volumen von EUR 30 Mrd. und einer Dauer von mindestens 9–12 Monaten, wobei zu gleichen Teilen Anleihen von staatlichen und privaten Emittenten gekauft werden dürften."
Eine Neuauflage der quantitativen Lockerung (QE) könnte wegfallen, falls die Daten und Entwicklungen überraschend positiv ausfallen, so die DB-Analysten in ihrer Studie.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es um die deutsche Wirtschaft aktuell nicht gut bestellt ist. Weitere Zinssenkungen durch die EZB dürften den deutschen Aktienmarkt nicht in Wallung versetzen. Aber eine Neuauflage des Kaufprogramms dürfte die DAX-Aktienanleger in einen kurzfristigen Kaufrausch versetzen, insbesondere falls die Währungshüter das Programm so ausgestalten, das die EZB nun auch Aktien kaufen darf. Das hatte BlackRock-Chef Larry Fink ja bereits vorgeschlagen. Vergessen sollten Anleger auch nicht, dass die Börsen die konjunkturelle Entwicklung in der Regel um Monate, wenn nicht sogar ein Jahr vorwegnehmen.
Für den Euro könnte eine Wiederauflage der quantitativen Lockerung sowie einer Zinssenkung unmittelbare Verluste bedeuten. Da jedoch auch die Federal Reserve an der Zinsschraube drehen dürfte ( Morgan Stanley (NYSE:MS) rechnet mit einer Zinssenkung der Fed-Funds-Target-Range von 50 Basispunkte), sollte sich der EUR/USD oberhalb von 1,10 Dollar halten und sich im Anschluss moderat in Richtung 1,16 Dollar bis zum Jahresende erholen.
Positive Akzente könnte die deutsche Bundesregierung setzen. Zwar gab es noch keine offizielle Bestätigung, aber Finanzminister Olaf Scholz hatte am Wochenende ein Konjunkturpaket in Höhe von 50 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, falls die deutsche Wirtschaft umkippen sollte.