- von Markus Wacket
Berlin (Reuters) - Die Atomkommission der Regierung schlägt beim Kanzleramt Alarm wegen der schleppenden Umsetzung ihrer Beschlüsse zu den nuklearen Altlasten.
"Es besteht die akute Gefahr, dass die Gesetzgebung mit Beteiligung von Bundesrat und Bundestag nicht mehr bis zum Jahresende abgeschlossen werden kann", heißt es am Mittwoch in einem Reuters vorliegenden Brief der Spitze der Kommission an Kanzleramtsminister Peter Altmaier. Da im Anschluss noch ein Vertrag mit den vier AKW-Betreibern geschlossen werden müsse, drohten weitere Verzögerungen. Das berge nicht nur politische Risiken: "Es hat auch Folgen für die davon betroffenen Unternehmen." Die Kosten für die AKW-Betreiber könnten dann höher ausfallen. Das Wirtschaftsministerium erklärte, es werde unter Hochdruck an den Gesetzentwürfen gearbeitet. Ein Kabinettstermin sei aber noch nicht festgelegt.
Hintergrund des Schreibens ist, dass sich die zuständigen Ministerien zur Beratung des Gesetzentwurfs erst wieder am 10. Oktober treffen wollen. Das kritisiert die Kommissionsspitze aus Jürgen Trittin (Grüne), Ole von Beust (CDU) und Matthias Platzeck (SPD). Sie schreibt, an dem Tag müssten die Beratungen abgeschlossen und ein belastbarer Zeitplan festgelegt werden. Ursprünglich war vom Wirtschaftsministerium geplant, einen Gesetzentwurf schon Ende August ins Kabinett zu bringen. Eine Sprecherin des Ministeriums betätigte den Eingang des Briefes: "Wir wollen die Arbeit schnellst möglich finalisieren und zügig eine Kabinettbefassung herbeiführen", sagte sie. Einen Termin zum Beschluss der Gesetzentwürfe durch die Regierung gebe es aber noch nicht.
Die Atom-Kommission hatte im April einstimmig empfohlen, dass die AKW-Betreiber RWE (DE:RWEG), E.ON (DE:EONGn), EnBW und Vattenfall sich gegen eine Zahlung von 23,3 Milliarden Euro von den Lasten der Zwischen- und Endlagerung des Atommülls freikaufen können. Stilllegung und Abriss der Atomkraftwerke bleiben bei den Unternehmen.
VERZÖGERUNG WÜRDE ZAHLUNGEN VON BETREIBERN ERHÖHEN
Die Zahlen beruhen aber auf Berechnungen von 2014. Aufgrund der zugrunde gelegten Verzinsung für die Rückstellungen erhöht sich der Betrag mit jedem neuen Jahr um knapp 4,6 Prozent. "Wird das Jahresende nicht erreicht, drohen neue Berechnungen", wird daher im Brief an Altmaier gewarnt. Zahlen die Unternehmen schon dieses Jahr in den geplanten öffentlich-rechtlichen Fonds ein, liegt die Summe etwa bei 25,5 Milliarden Euro. Die Aktien der Versorger litten am Mittwoch unter der Verunsicherung über den Zeitplan: RWE- und E.ON-Aktien waren zeitweise die einzigen mit einem Minus im Dax. Beide Unternehmen wollten sich nicht zum Zeitplan äußern.
Aus dem Schreiben geht weiter hervor, dass die Verhandlungen dabei stocken, ab wann beim Abriss der AKW der Atommüll zur Zwischenlagerung in die Verantwortung des Staats übergeht. Die Kommission empfiehlt, bis zur "fachgerechten Verpackung" der Abfälle dies den Unternehmen zu überlassen. Von gemischten Verantwortlichkeiten könne man nur abraten, heißt es im Brief.